Anastasia Karimova: „Keine Angst vor der Kälte.“

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Letzten Winter hat sich die 24-jährige Anastasia bei Minus 14 Grad im Bikini auf Moskaus Straße gestellt und ein Schild mit einem Aufruf in den Himmel gehalten: „Keine Angst vor der Kälte – Wir werden stärker.“ Sie war eine der 100.000 Demonstranten, die nach den gefälschten Wahlen Putins den politischen Umbruch forderten. Auch diesen Winter kämpft die russische Aktivistin weiter – nun aber weniger auf den Straßen, umso mehr in der Zeitung. Sie schreibt für die Dengi (zu deutsch Geld), eine der ältesten, Wochenzeitung für Wirtschaft in Russland, über Korruption und Politik und twittert für 13,172 Follower.

Eine dunkle Kellerbar mitten in Moskau, laute, verzerrte Gitarren, zwischen den Tischen hält ein Glatzkopf eine Rede in ein übersteuertes Mikrofon. Hier in dieser Bar treffen sich Oppositionelle. Und hier treffe ich die Aktivistin und Journalistin Anastasia Karimova. Im Rahmen der Recherchereise ‚Inside Russia‘ war ich im Dezember in Moskau unterwegs, um in Gesprächen mit Menschenrechtlern, Bloggern und Politikern herauszufinden, wie es um die russische Opposition steht. Denn seit einem Jahr ist die tot geglaubte russische Zivilgesellschaft wieder wach. Blogs sprießen, Pokerspieler werden zu Politikern, ganze Stadtteile campen gemeinsam gegen die Abholzung ihrer Wälder. Aber kann die Opposition, neben Putin und seinen Oligarchen, wirklich etwas ändern? Anastasia Karimova ist davon überzeugt.

Ein Interview mit Anastasia Karimova über ihr Selbstverständnis als russische Journalistin.

Anastasia, du bist Aktivistin und Journalistin. Was ist dir wichtiger?

Journalismus. Damit erreicht man mehr.

Du nutzt also Journalismus als Aktivismus?

Ja. Ich schreibe nicht nur, ich rufe Mitbürger in meinen Artikeln auch zur Teilnahme an Protestaktionen auf und nehme an Sitzungen, Vorbereitungstreffen und Demonstrationen teil.

Ist es nicht etwas einseitig, wenn man nur die Meinung der Opposition aufzeigt?

Ich glaube, dass es in unserer instabilen russischen Demokratie notwendig ist, dass Journalisten die Opposition unterstützen.

Machst du nicht eher Anti-Regierungs-Propaganda statt echtem Journalismus?

In gewisser Weise, aber wir Journalisten sind in erster Linie Bürger und haben ein gemeinsames Interesse mit vielen anderen Bürgern. Wir wollen, dass es in unserem Land faire Wahlen und keine Korruption mehr gibt – auch auf Kosten der journalistischen Ethik.

Wer kümmert sich dann um die neutrale Berichterstattung?

Langfristig natürlich die Journalisten – doch derzeit können wir uns den Luxus noch nicht leisten, objektiv zu bleiben. Erst wenn die Opposition stark genug wird, können wir Journalisten wieder unparteiisch werden, und sie kritisieren. Ich hoffe, dass unsere europäischen Kollegen das verstehen.

Anastasia wie kamst du in die Politik?

Mit 15 Jahren begann ich mich für Politik zu interessieren und engagierte mich in der Partei Union Rechter Kräfte. Ein Jahr später begann ich für eine Zeitung zu schreiben, und merkte, dass ich so viel mehr erreichen konnte. Seit vier Jahren gibt es meine Partei nicht mehr. Ich habe mich aus dem Parteienwesen zurückgezogen und konzentriere mich auf den Journalismus.

Worum ging es in deiner letzten Geschichte?

Da ging es um den Bau einer großen Straße in Moskau. Die Anwohner finden den Straßenbau unsinnig und vermuten Korruption. Sie hätten ganz andere Vorstellungen für die Straße, die sich aber keiner anhört. Die Straßenpläne werden von oben bestimmt.

Die weitreichendste Protestaktion im letzten Jahr stammt von Pussy Riot. Würdest du so etwas auch wagen, um deine Ziele voranzubringen?

Ich bin keine fromme Kirchengängerin und möchte nicht die russisch-orthodoxe Kirche verteidigen, aber ich fand den Auftritt auf dem Altar vulgär.

Du hast dich ausgezogen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen – dein Foto im Bikini verbreitete sich auf ganz Facebook. Ist das nicht auch vulgär?

Ich war ja nicht ganz nackt. Außerdem war der Plan, dass sich ein Junge in Boxershorts dazustellt, aber ich konnte keinen finden.

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Anastasia Karimova auf Twitter

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Anastasia bei einer Aktion auf der Straße:

Anastasia 4. Februar 12:00, Kaluzschskaja Platz, „Wir haben keine Angst vor Frost.“

Anastasia „Wir werden stärker.“

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