Florian Kreier: „Dauerhaft rumspinnen und Platten raushauen!“

Florian Kreier (c) Sophie Wanniger

Er veröffentlicht zwei Alben in zwei Wochen, spielt in vier Bands und hat einen eigens kreierten Musikstil geprägt  – Flo Kreier (30) aka Angela Aux hat einen unstillbaren Schaffensdrang nach schräger Musik und verspulten Texten. Bei dem Ganzen ist er zwar oft verwirrt, doch daraus schöpft der gebürtige Chiemgauer seine Ideen und findet seltsamerweise währenddessen auch noch Zeit, um ständig auf Facebook und Youtube abzuhängen.

Ich treffe Flo Kreier da, wo wir uns auch zum ersten Mal über den Weg gelaufen sind: bei M94.5. Er kommt fünf Minuten vor Sendungsbeginn in den Sender hineingewirbelt und ist auch während des Gesprächs fast nicht zu stoppen.

Zwei Alben in zwei Wochen! Hattest du einen unkontrollierbaren Kreativitätsschub?

Das war leider so gar nicht geplant. Im Vorfeld wurde versucht, die Releases auseinanderzuziehen. Noch dazu kommt, dass es Unstimmigkeiten mit dem Vertrieb gab. Offizieller Release ist jetzt am 22. November. Es ist jetzt so gekommen, und es ist auch okay.

Wie steht es derzeit um deine vier Bands?

Angela Aux geht es gut, die Platte kam ja grad. Aloa Input, meine neue Band, hat gerade released, Futurehausen wurde um das Bandmitglied Sam Irl erweitert, wir arbeiten gerade an einer neuen Platte und bei L’egojazz ist es nicht so ganz klar, ob es sie noch gibt. Wir haben uns letztens überlegt, nochmal auf einer Vernissage zu spielen. Aber auf Halligalli in Clubs haben wir keine Lust mehr.

Kommst du bei deinen vielen Projekten nicht durcheinander?

Ich bin da selbst ziemlich oft verwirrt. Aber ich glaube ja eigentlich, es sind noch viel mehr Bands möglich. Wenn ich interessante Menschen treffe, entsteht oft automatisch Musik – dadurch, dass man sich Dinge zeigt und an den Arbeiten der anderen herumprobiert. Es ist die einfachste Sache, eine Band zu gründen. Schwierig ist es, eine Band über Jahre hinweg am Laufen zu halten.

Wenn du dich auf ein Band-Projekt konzentrieren müsstest, welches würdest du nehmen?

Da würde ich gerade Aloa Input nehmen. Bei Aloa Input haben sich alle meine musikalischen Träume erfüllt. Die Platte, die wir jetzt herausbringen, ist die beste Musik, an der ich je beteiligt war und wir haben einen richtigen Labeldeal mit Morr Music. Angela Aux ist so eine Sache, die ich eigentlich nicht releasen müsste. Ich mach Angela Aux Musik mehr für mich als für Andere. Das ist auch ein Vorwurf, der immer kommt: „Wenn du auf der Bühne stehst, hat man das Gefühl, dass du das Konzert nur für dich spielst.“ Ist mir aber wurscht. Es sind Spielereien von mir, die zu Songs werden. Ich kann mir auch vorstellen, dass das nächste Album ein Hörspielalbum wird.

Wann schläfst du bei deinen ganzen Projekten?

Ich habe auch schon mal viel weniger geschlafen. In der Zeit als ich an der Platte „Sleep Well Folk“ gearbeitet habe, die sich mit Depression und Alltagsschwermut beschäftigt. Ich musste ein paar Dinge in meinem Leben umstellen, weil ich sonst in der Klapse gelandet wäre. Seit einem Jahr schlafe ich zum Beispiel konsequent acht Stunden. Da haben sich schon Leute darüber aufgeregt, weil ich dann sagen musste: „Sorry, wir können uns morgen nicht um zehn treffen, weil ich acht Stunden schlafen muss.“ Aber ich habe gemerkt: wenn man Ruhezeiten hat, ist man in den Arbeitszeiten viel leistungsfähiger und kreativer.

Woher nimmst du deinen unbändigen Schaffensdrang?

Ich habe das Glück, dass ich automatisch produziere. Ich habe auch Möglichkeiten gefunden, wie ich ständig dokumentiere, was ich denke. Ich habe auf jedem PC ein Word-Dokument mit Notizen, auch auf den Computern meiner Freunde. Und ich beschäftige mich ständig mit Musik, bin dauernd am Hören und Plattensammeln. Aber ich nehme mir auch Zeit für anderes. Ich mach viel mehr Sport und verbringe auch einigermaßen viel Zeit mit Freunden.

Ist es nicht schade, dass die Verweilzeit von Produzierten so kurz ist, wenn man ständig Neues schafft? Dein altes Album ist jetzt schon wieder ein alter Hut.

Ja, stimmt. Ich will nicht angeben, aber im Endeffekt steht schon eine weitere Angela Aux Folkplatte auf meinem Rechner. Und ich denk mir auch schon wieder, dass ich die neuen Songs live spielen könnte, weil mich die von „Sleep Well Folk“ schon fast wieder langweilen.

Woher hast du das? Sind deine Eltern auch so?

Überhaupt nicht. Aber inspiriert hat mich meine Mom. Von ihr und von meinem Opa habe ich das Interesse für mehrstimmigen Gesang. Sie hat uns auch superviel vorgelesen. Viel Astrid Lindgren und Erich Kästner. Sie war maßgeblich dafür verantwortlich, dass ich mich so sehr für das alles interessiere, was ich jetzt mache.

Nervt dich deine automatische Produktivität nicht? Das klingt ja fast nach einer Maschine.

Ja. Teilweise ist es sehr anstrengend. Es gab auch eine Zeit, in der ich mit der Musik aufhören wollte, weil sie mich wahnsinnig gemacht hat. Dieses ständige Ausgechecke. Ich hab schon einen Riesendrang in mir. Manchmal dachte ich mir: Woah, krass, ich habe eine Woche lang keinen Song geschrieben und dann wollte ich gleich wieder was machen. Oder wenn ich in mein Word-Dokument reinschaue und merke, woah krass, ich habe seit zwei Wochen kein Gedicht geschrieben, dann kann man die Uhr danach stellen. Ich vertiefe mich in eine Youtube Dokumentation, zum Beispiel über Buster Keaton oder Surrealismus und komme dabei auf irgendwelche Ideen, und dann schreibe ich hier und da was, und dann ist wieder was fertig. Aber ich muss auch einen Weg finden, wie ich mich von der Produktivität emotional distanziere. Der einzige Weg bis jetzt ist Fußball schauen.

Was motiviert dich immer wieder dazu weiterzumachen? Der Ruhm, die Bühne, die kreischenden Fans?

Die Bühne ist es gar nicht. Ich stehe nicht so unglaublich gern auf Bühnen. Das ist eher Begleiterscheinung. So richtig gerne sitze ich im Studio. Es gibt nichts, was ich lieber mache, als im Studio zu sitzen und mit Ideen herum zu spinnen. Einen Track zu schreiben, mit Sounds zu spielen, mir einen Gesangspart auf eine Bassline zu überlegen – das ist es, was mir am meisten Spaß macht.

Wie kam Aloa Input zustande?

Der Name existiert schon ziemlich lang. Am Anfang war das der L’egojazz Tarncape. Ich kannte Cico Beck schon eine Weile und habe Markus Graßl in der On3 Startrampe besser kennengelernt. Wir haben uns immer öfter getroffen und gemerkt: wir haben so einen ähnlichen Musikgeschmack, dass wir ein Mal etwas zusammen machen wollten. Wir haben uns mitten in meiner Magisterzeit entschieden, zwei Tage zu Cicos Eltern nach Egweil zu fahren. Wir haben uns dort im Keller vergraben und ließen uns von Cicos Mutter mit Rehragout bekochen. Und dann haben wir einen Song aufgenommen und haben ihn den Leuten gezeigt, die meinten, dass man den unbedingt herausbringen sollte. Dann ist ewig nichts passiert, bis wir wieder einen Rappel bekommen haben. Daraufhin durften wir dank Stefan Dettl eine Woche kostenlos ins Studio von LaBrassBanda im Chiemgau. Es ist total abgeschieden, ein superschönes Studio, am See. Da haben wir unglaublich schnell Songs fertiggeschrieben. Da haben wir erkannt: Das wird was. Wir hatten irgendwann eine total bescheuerte Email an Labels geschrieben, mit dem Titel: „Sehr geehrte Damen und Herren, wir präsentieren Ihnen die Ergebnisse der Klausurtagungen vom Chiemsee 2012“. Von den meisten Labels hat sich keiner gemeldet. Aber Thomas Morr von Morr Music hat gesagt: Ich würde gern mehr hören. Also haben wir ihm mehr geschickt.

Was ist dein Part in der Band?

Ich singe, spiele Bass und ein bisschen Keyboard. Ich hatte schon immer Bock in einer Band Bass zu spielen. An Holger Czukay von Can orientiere ich mich ein wenig, aber ich mag auch die Bassläufe von John Cale auf der ersten Velvet Underground Platte oder das Zusammenspiel von Bass und Gitarre bei McCartney und Lennon. Aber klar: macht auch Bock Basslines aus der elektronischen Tanzmusik in unsere Songs zu holen.

Wechselt ihr auch die Positionen?

Einmal wechseln Cico und Markus Schlagzeug und Gitarre.

Euer Sound ist schon sehr schräg. Glaubst du, dass die Leute das hören wollen?

Voll. Aloa ist aber auch eingängiger als Angela Aux und Joasihno find ich. Wir haben uns da gegenseitig glattgeschliffen, man ist halt nicht so frei und kann einfach machen was man will. Angela Aux mach ich ja komplett alleine. Meine L’egojazz-Buddies hören vielleicht mal drüber. Vielleicht ist es geblendeter Wahnsinn, aber ich finde unsere Platte „Anysome“ echt irre gut.

Ihr kruscht in sehr vielen Soundschubladen. Gibt es ein Genre, dass ihr nie im Leben anfassen würdet, etwa Klassik oder Metal?

Also Metal und Klassik auf alle Fälle schon. Wir spielen zur Zeit auch immer so ein Reggaeriff, obwohl das ja derzeit in der Popmusik eher verpönt ist. Deswegen macht uns das aber auch grade Spaß und wir lachen uns immer tot dabei. Es gibt keine guten und schlechten Genres – außer Nazirock.

So multiaktiv wie du bist, gibt es auch eine Konstante in deinem Leben: deine örtliche Verbundenheit. Dem bayerischen Lande hast du auch einen Musikstil gewidmet: New Weird Bavaria. Warum hast du es nicht New Weird Germany oder New Weird Munich genannt. Was ist das Schöne an Bavaria?

Ich will gar nicht Bayern hochloben. Es war eher ein Joke. Es wurde dann mal in einer Radiosendung erwähnt und plötzlich wurde immer so ein Zusammenhang aufgegriffen. Ich finde es auf jeden Fall besser als Indietronic.

Wäre es für dich als vielseitiger Musiker nicht förderlicher, in Berlin, London oder New York rumzuhängen?

Zwei, drei Monate in New York leben ist ein Riesentraum von mir. Aber New York hat auch riesengroße Ansprüche an einen. Ich habe hier das Riesenglück so viele Leute zu kennen, mit denen ich unglaublich schnell und in guten Studiobedingungen produzieren kann. Wir haben hier auch Medien, die uns unterstützen. Was M94.5 und der Bayerische Rundfunk schon für uns getan haben, oder das Curt Magazin, oder Christian Kiesler vom Feierwerk. Es gibt so viele Leute hier, die so familymäßig kulturell etwas in eine Richtung bewegen. Ich hätte selbst nicht gedacht, dass es mir hier so taugt.

Relativ wenige Münchner Bands schaffen es über die Stadtgrenzen hinaus…

Darüber denk ich nicht nach. Ich lege es nicht besonders darauf an, bekannt zu sein. Hauptsache, ich kann dauerhaft rumspinnen und Platten raushauen oder Texte vorlesen, oder endlich mal in ein Buch drucken, das ist so ein unerfüllter Traum.

Du bist jetzt 30. Hast du Angst vor der Zukunft?

Immer weniger. Bei mir setzt gerade die wundersame Kraft des Alters ein. Ich sehe die Tage verstreichen und die Zeit vor mir wird weniger und dann denk ich mir: jetzt muss ich echt noch ein bisschen gut gelaunt sein und Gas geben.

_________________

Interview mit Flo Kreier auf M94.5

Angela Aux auf Facebook

Aloa Input auf Facebook

Bildnachweis: Sophie Wanninger

There is one comment

Schreibe einen Kommentar zu FALSCH Cancel