Gathaspar: „Ich kreiere, während ich spiele.“

Gathaspar
Foto: Caroline von Eichhorn

Gathaspars Innenwelt ist eine eigensinnige, phantastische Wildnis. Dieser Eindruck beschleicht einen, wenn man seine Musik hört. Minimalistische, ausgedehnte Dubtechno-Tracks, die einen auf einen psychedelischen Trip in tiefe, versponnene Gefühlswelten hinab geleiten.

Mit kratzenden Disharmonien und betörend zarten Klängen beschallt er Clubs und Festivals. Gathaspar alias Kacper Garbacz ist ein Geheimtipp in der elektronischen Szene, nicht zu verwechseln mit einem DJ, den Gathaspar macht seine Sets live – wie immer mehr andere elektronische Live-Künstler legt er großen Wert auf die Unterscheidung.

In den letzten zwei Jahren hat er sich seinen Weg von Warschau in die Welt gebahnt, war auf großen Festivals wie der Fusion oder dem Sonne, Mond und Sterne vertreten. Nun ist er taufrisch mit seiner Freundin von Berlin nach München gezogen. Wir treffen uns bei der Fünf-Jahres-Feier der „igitte“, einer Magazinreihe von Münchner Zwillings-Künstlerinnen, im Büro des Kunstsammlers Hubert Kretschmer in der Türkenstraße. Ein überraschender Einstand, denn Gathaspar hat solche „Girls“ wie die von Igitte in München nicht erwartet. Immerhin haben wir einiges zu lachen. Nach der Igitte-Performance unterhalten wir uns über neue Wege in der Clubmusik, Kommerz und Underground, und die polnische Technoszene.

Bist du genervt, wenn dich jemand einen DJ nennt?

Manchmal. Wenn mich Leute fragen, versuche ich klar und deutlich zu erklären, was ich mache. Das ist hin und wieder schwer, wenn Leute nicht viel mit elektronischer Musik in Kontakt stehen.

Zur Erklärung: Warum bist du kein DJ?

Ich mache alles live. Ich spiele keine Songs anderer Künstler. Ich bereite mir im Ableton Loops und Klänge vor und kombiniere sie dann. Ich spiele nicht den Track, den ich schon releast habe, sondern ich nehme Teile aus meinen Tracks, die Melodie oder Stimme, oder was auch immer ich brauche, und mixe sie neu zusammen. Ich kreiere, während ich spiele.

Ein Puzzle.

Ich will eben immer etwas Neues schaffen. Wenn ich etwas eins zu eins spiele wie auf der Platte, langweilt es mich.

Fiel es dir leicht in Deutschland Fuß zu fassen?

Es war eine Art Kettenreaktion. Plötzlich wurde ich zur Fusion, Sonne Mond und Sterne und in die Panorama Bar eingeladen. So kam es ins Rollen. Aber ich fühle mich noch nicht wirklich erfolgreich, ich bin noch ein Newcomer.

Du bist beim Label Freude am Tanzen – wie kam es dazu?

Ich hatte keine Connections oder so. Ich habe ihnen ein paar Sets von mir geschickt. Vier Monate später kam einer namens Patrick auf mich zu und sagte, er wolle etwas mit mir aufnehmen.

Und jetzt hat es Dich nach München verschlagen. 

Vor einigen Tagen hat meine Freundin die Zusage für einen Job im Monopol-Kino bekommen. Sie ist schon acht, neun Jahre hier, hat hier studiert, das filmPolska München Festival aufgebaut und viele Connections. Wir suchen allerdings noch nach einer Wohnung.

Viel Glück auf der Suche. Vermisst du Warschau und Polen?

Nein. Mir war es dort zu langweilig. Es gibt nicht so viel elektronische Szene. Ich habe nur einmal in Warschau gespielt. Als ich nach Berlin gezogen bin, habe ich auf einen Schlag viele Anfragen gekriegt.

Was ist los mit der Warschauer Technoszene?

Warschau ist zu kommerziell, glaube ich. Der Underground ist klein. Ich habe ein paar Freunde, die Technomusik machen und Parties organisieren. Letztlich müssen sie aber dafür bezahlen. Es ist schwer, sich damit eine Existenz zu schaffen.

Welche Art von Parties funktionieren in Warschau?

Du musst große Namen einladen: Etwa dOP oder Marcel Dettmann, mehr Elektro.

Hast du schon immer aufgelegt?

Nein. Ich habe Sport Lehramt studiert und vor vier Jahren abgeschlossen. Anschließend habe ich in einem Immobilien-Büro gearbeitet, aber nur für eineinhalb Jahre. Ich habe den Job hingeschmissen. Das war einfach nichts für mich.

Warum hast du nicht als Sportlehrer gearbeitet?

Als Lehrer in Polen bekommst du am Anfang knapp 300 Euro für einen Full Time Job. Mit der Musik hingegen fröne ich meiner Leidenschaft und komme dabei viel herum. Aber ich überlege, was ich noch zusätzlich machen kann. Ich will ja auch mal Familie haben.

Wie kamst du von dort zum DJing?

Ich habe viel harten Techno gehört. Also habe ich mir DJ-Equipment zugelegt und experimentiert. Nach ein paar Wochen erkannte ich: Das ist nichts für mich ist. Ich bin kein DJ. Ich habe alles verkauft und begann stattdessen mit Ableton herumzuspielen. Nach einem Jahr habe ich Tracks aufgenommen und an meine Freunde geschickt. Die fanden sie gut. Nach zwei Jahren habe ich es damit bei Labels probiert. Das erste war in Berlin, Resopal, sie haben meinen Track gleich rausgebracht. Das war überraschend für mich, weil ich nicht damit gerechnet habe, gleich ein Album herauszubringen. Ich dachte, erst kommen EPs. Die kamen anschließend, beim Stuttgarter Fassade Label, und beim Numbolic aus der Schweiz. Dann kam Freude am Tanzen.

Woher nimmst du die Elemente deiner Musik?

Ich benutze viele Synthesizer, aber nehme auch viel aus meiner Umgebung auf. Ich versuche mit Sound zu experimentieren. Ich kaufe mir viele komische Instrumente, auch welche für Kids, und Gitarren. Ich bearbeite die Klänge sehr stark. Damit kreiere ich meine eigenen Sounds. Das ist mir wichtig. Viele produzieren immer die gleichen Tracks, mit immer gleichen Kicks, Bässe und Claps.

Hast du einen musikalischen Background in der Familie?

Mein Großvater hat Zitter in der Kirche gespielt. Meine Schwester spielt Klavier. Das war’s. Ich will auch schon lange Klavier spielen. Aber als ich 20 war, dachte ich, es ist zu spät. Mit 25 dachte ich immer noch, es ist zu spät. Jetzt bin ich 28 und habe mich immer noch nicht aufgerafft. Ich hätte mit 20 anfangen sollen.

Welche Musik hörst du gerne?

Techno, Dub, aber auch klassische Musik, und Filmmusik inspiriert mich sehr. Das letzte Mal richtig abgegangen bin ich bei Ricardo Villalobos in Berlin, kurz vor Weihnachten. Er ist einer meiner liebsten Künstler. Weniger als DJ, mehr als Produzent. Ich mag was er veröffentlicht mehr, als das was er spielt. Außerdem höre ich gern Moritz von Oswald und Czeslaw Niemen. Czeslaw Niemen ist ein Popstar in Polen, aber brachte auch viel Avantgarde-Musik heraus, die sehr oft mit elektronischer Musik in Verbindung steht. Er war seiner Zeit immer zwei Schritte voraus. Nur wenn ich selbst aufnehme, höre ich gar keine Musik.

Wie stehst du zu berühmten Live DJs wie Justice oder Daft Punk?

Nicht meine Tasse Tee.

Welches Equipment benutzt du für Live Gigs?

Ich benutze Software, eine Soundcard, Controller und Analog Filter.

Wie lang sind deine Sets?

60 bis 70 Minuten.

Gehst du danach heim?

Unterschiedlich. Ich bin kein Partyboy, der als letztes geht und die Tür schließt. Aber ich bleibe schon gern noch da.

Du spielst am morgigen Freitag auf einer Kunstveranstaltung.

Das ist das erste Mal für mich auf so einer Art von Veranstaltung mit vielen Kunstwerken. Ich bin sehr neugierig und freue mich.

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Gathaspar spielt am Freitag, 03. Januar 2014 bei TAM TAM in der roten Sonne. Hier geht es zu der Veranstaltung auf Facebook. Das Interview von Veronika mit TAM TAM Gründer Matthias Stadler lest ihr hier.

Mit einem Kommentar unter dieses Interview bis Freitag, den 03.01. 12 Uhr, könnt ihr 1×2 Gästelisteplätze gewinnen.

Gathaspar auf Soundcloud und Facebook

There are 6 comments

  1. comment guy

    da war wohl ganz schön was los in der Wohnung. Und leider wieder ein kreativer Lehrer weniger :( vielleicht mal als verrückter Musik-Lehrer versuchen??? ;)

  2. Julischka Kiss

    die Igitte-Schwestern sind der Hammer. Wir hatten sie im letzten Jahr zu einer Performance eingeladen. War super klasse! Habe ich jetzt die Karten?

    1. Caroline von Eichhorn

      Liebe Julischka,

      ja, sie sind wundervoll! :) Sie kommen morgen auch beim TAM TAM in der Roten Sonne vorbei. Die Karten werden verlost. Ob du gewonnen hast, erfährst du morgen kurz nach 12 Uhr mittags. Ich drücke die Daumen.

      Gruß!

  3. Simon

    Also wenn man hört, was ein Lehrer in Polen verdient, kann man ja den bayerischen Freistaat als richtig spendablen Arbeitgeber bezeichnen :)
    München ist sowieso die beste Stadt!

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