Sacred Ground Festival – Zwischen Idylle und Einöde

Fotos: Natalie Mayroth

Ein so beschauliches wie einladendes Fleckchen hatten sich die Organisatoren für das Sacred Ground Festival rund um die Kuratoren Ry X und Frank Wiedemann ausgewählt, um ihren „gesegneten Ort“ zu errichten. Trampe, ein winziges Nest mit einer überschaubaren zweistelligen Häuserzahl und putzigen Vorgärten in der Uckermark wurde zum Ziel mehrerer Hundert Besucher aus Berlins Nachtszene und Kreativwirtschaft, die in der Tradition der bürgerlichen Sommerfrische, die urbane Spannung gegen die gediegene Atmosphäre zwischen Getreidefeldern eintauschten.

An diesem klischeehaften Kontrast zwischen Stadt und ländlicher Gegend beziehungsweise der harmonischen Verklärung des flachen Lands schien auch das Festival anzuknüpfen, das es sich zum Ziel gesetzt hatte, die Grenzen eines alten Gehöfts als intimen und familiären Rahmen zu nutzen. Innerhalb dessen spielten befreundete Musiker spontan und ohne große Distanz zum Publikum. So wurde der Backstage-Bereich vor die Bühne verlagert und die Künstler Teil der Crowd. Neben mir tanzte Ry X, der durstige Dream Koala lief uns in Barnähe häufiger über den Weg und Dauwd erläuterte Natalie seine Abneigung gegen das sonst übliche Herumhängen im konventionellen Backstage.

Mit den klassischen großen, durchgehend kommerzialisierten Festivals hatte das Sacred Ground wenig gemein, was sich vor allem in einer sehr entspannten und besonnenen Atmosphäre widerspiegelte, die allerdings auch im Verlauf der Nacht nie wirklich aufgebrochenen wurde. Auch die Einbindung der gastgebenden Gemeindebevölkerung fügte sich dort an, sodass sich unter anderem der örtliche Bäcker in das kulinarische Angebot, aus dem besonders die buttrig triefenden Spinatknödel (die aus Berlin kamen) herausragten, einreihte und die ein oder andere ältere Herrschaft den Konzerten lauschte.

Den Auftakt des Festivals ohne feste Running Order markierte der Auftritt von Ry X, der gewisser Maßen den musikalischen Blueprint für die nächsten Stunden darstellte. Ruhige, melancholisch angehauchte Klänge zwischen Electronic, Folk und Indiepop, getoppt mit hohen Männerstimmen, die nur einmal abgelöst wurden, als eine Gastvokalistin die Herren von Tora ergänzte. Etwas mehr Diversität, sowohl den Sound als auch die Geschlechterverteilung betreffend, hätte dem Festival da definitiv gut getan.

Positiv in Erscheinung trat unter den bei Tageslicht auftretenden Acts vor allem der junge Dream Koala, dessen fragilen und doch eine gewisse Schwere innewohnenden Songs man sich nur schwer verwehren konnte. Auch wenn er etwas verloren auf der Bühne wirkte, sorgte seine Mischung aus Schüchternheit und berührtem Lächeln, für das Festival überdauernde Sympathiepunkte. Es sollte allerdings bis zum gemeinsamen Auftritt der beiden Kuratoren dauern, bis die breite Masse, mich mit eingeschlossen, die die Konzerte bis dahin hauptsächlich vom Rasen und gestapelten Holzpaletten aus verfolgte, sich erhob und vor die Bühne drängte. Da stets fotografierend umhergewandert, war Natalie bis dahin wohl der lebhafteste Festival-Besucher. Die vorherrschende entspannte Grundstimmung, die teilweise aber auch ein wenig in die Lethargie abgedriftet war, hob sich nun Dank Howling und mit dem Tageslicht zog sich die musikalische Melancholie langsam zurück, um Platz für Tanzbares zwischen House und Techno zu bieten.

Künstler und DJs wie Adam Freeland, Dauwd und Frank Wiedemann tauschten Berlins Clubs gegen die Wiese vor einer Scheune ein und lieferten nahezu durchgängig gute Sets. Wirkliche Euphorie wollte beim Publikum allerdings nur bedingt aufkommen, was sich durch das erneute Hinwenden zu melancholischeren Klängen bei David Augusts Gig auch nicht ändern sollte. Als das Festival dann gegen fünf Uhr morgens für beendet erklärt wurde, brach dies auch mit den Vorstellungen einiger Gäste, die eine Technoparty nach Berliner Zeitverhältnissen erwartet hatten.

Den Ausflug in die Uckermark war das Sacred Ground jedoch durchaus wert, besonders wegen seines örtlichen und konzeptionellen Rahmens. Bei seiner Ausfüllung wurde allerdings Potenzial verschenkt, denn in Sachen Begeisterung hing man den konventionellen Festivals doch etwas hinterher. Die Alternative, ein romantisch-intimes Zusammenfinden zwischen ausgedienten Scheunen, was die Location durchaus hergegeben hat, hätte wiederum ein anders zugeschnittenes Line-Up erfordert. Aber vielleicht geht das Konzept beim nächsten Anlauf auf, dank einiger musikalischer Ausreißer, einer besseren Fusion von Örtlichkeit und musikalischem Angebot und der Tatsache, dass Frauen nicht nur hinter den Versorgungsständen, sondern auch auf der Bühne zu finden sind.

There are 2 comments

  1. Martin

    Tolle Fotostrecke! Und danke an die ironischen Brechung vom „klischeehaften Kontrast zwischen Stadt und ländlicher Gegend beziehungsweise der harmonischen Verklärung des flachen Lands“. Klingt nach einem gemütlichen Festival.

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