Tanja Rochow | A Physical Thing @ Studio Naim

Lior Tamim, Red Room Installation, Brooklyn, NYC, 2015, Courtesy of the artist

Wasted Youth ist out. Die Elite von heute hält sich gesund und fit – mental wie körperlich. Wer sich gehen lässt zeigt Schwäche. Wo begründet sich der Well- und Fitness-Trend? Hat er sich inzwischen vielleicht schon gegen uns gewandt, statt gut zu tun? In der Ausstellung „A physical thing“ werden 15 internationale Künstler das Fitness-Studio Naim in Tel Aviv mit ihren Arbeiten infiltrieren – während des regulären Betriebs.

Tanja Rochow, Kuratorin der künstlerischen Interventionen, untersucht in ihrer Arbeit Konzepte, die Kunst mit unterschiedlichen Kontexten und Kulturen vernetzen und so neue kulturelle Landschaften entstehen lassen. Bisher hat sie für die Manifesta 11, in Zürich, die Levinsky Garden Library und das Tel Aviv Museum, jeweils in Tel Aviv, das Haus der Kunst in München und das New York Photo Festival gearbeitet. Sie hat an der LMU in München und der Universität Tel Aviv Kunstgeschichte studiert und schließt gerade an der Goldsmiths Universität in London ihren Master in Curating ab.

Tanja Rochow, Kuratorin von „A physical thing“

A physical thing: Künstlerische Positionen zum Thema „Wellness Syndrom“ treffen auf ein Fitnessstudio in Tel Aviv. Prallen hier nicht zwischen den regulären Besuchern und den kritischen Künstlern zwei Welten mit Konfliktpotential aufeinander?

Doch genau! Auf jeden Fall, das ist auch die Idee, mit der Kritik oder bzw. dem Aufzeigen der Problematik genau im Herzen dieser Community zu agieren, und nicht in einem White Cube. Konzept ist auch, dass die künstlerische Positionen wirklich die Infrastruktur des Studios & Gyms infiltrieren. Das heisst, die Videoarbeiten werden z.B. auf den Screens der Treadmills & Stepper gezeigt, oder die Guided Meditation der Künstlerin Ruth Waters wird als normale Unterrichtsstunde im Schedule des Studios angeboten, so dass die Grenzen zwischen Kunstwerk und regulärem Studio-Betrieb verschwimmen.

Warum sollten Menschen hinterfragen, warum es einen so starken Trend (und Druck) gibt, glücklich und gesund sein zu wollen? Und ist das nicht etwas Gutes?

Mark Fisher’s Capitalist Realism (2009) argumentiert, dass sich Kapitalismus auf alle Bereiche unseres Lebens ausgeweitet hat. Interessant ist zu fragen, was passiert mit einer Ideologie, wie z.B. Yoga oder fernöstliche Praktiken die als Raum des Widerstandes dem Kapitalismus gegenüber, in den Westen gelangt sind, wenn diese nun auch vom kapitalistischen System einverleibt wurden? Gesunde Arbeiter können noch produktiver sein. Die Individualisierung die mit solch einem System einhergeht, geht soweit, dass wir anfangen uns selbst fuer alles verantwortlich zu machen, fuer unsere Gesundheit, wenn wir arbeitslos sind, oder wenn wir weniger Chancen haben etc. ist das unsere Schuld und nicht aufgrund der sozialen Strukturen unserer Gesellschaft. Der Begriff der „Biomorality“ – gute Menschen sind gesund und glücklich und schlechte Menschen sind faul und ungesund, geht soweit den Druck des ganzen Themas auf eine moralische Ebene zu heben, dieser Druck dem wir dadurch ausgesetzt sind ist wirklich extrem und die entspannende oder unterstützende Wirkung die man von einer Yoga Stunde oder einem Workout bekommen kann, verkehrt sich ins Gegenteil.

Im Text zur Ausstellung fällt der Begriff „Wellness Church“. Verschiedene Vorstellungen, wie denn nun der richtige Weg ist, um Seelenfrieden zu erlangen und gesund zu leben, liegt ja doch auch den großen Weltreligionen zu Grunde – neu ist also das menschliche Bedürfnis nach Glück (Heil) und Gesundheit nicht. Warum ist es für dich nach wie vor so ein wichtiges Thema?

Jeder von uns versucht verschiedene Mechanismen zu entwicklen sein Leben zu meistern, bzw. mit schwierigen Situationen/Problemen/dem täglichen Leben umzugehen. Ich selbst bin seit vielen Jahren Teil der Yoga-Community und nach wie vor dankbar fuer alles dort gelernte, bzw. dass dies Teil meines Lebens ist. Dennoch denke ich, dass es wirklich wichtig ist, gerade die eigenen Praktiken zu hinterfragen, so entstand die Idee zu einer kritischen Ausstellung in einem up and running Yoga, Tanz- und Fitness Studio. Die Ausstellung möchte nicht die Praktiken & Philosophie des Strebens nach einem gesunden Leben und Körper etc. angreifen, aber auf die Problematiken und oft widersprüchlichen Praktiken die in dieser Community auftauchen, aufmerksam machen. Im Idealfall erreicht die Ausstellung, dass sich die Mitglieder des Gym & Fitness Studios Gedanken machen, zu Ihrer eigenen Einstellung, bzw. wie sie zu diesem Thema – ganz persönlich – stehen.


A physical thing findet vom 27. bis 29. April im Studio Naim, Derech Shlomo 46, Tel Aviv-Yafo, 66073, Israel statt.

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