Alle Fashion-Blogger sehen irgendwie gleich aus? Wäre nicht abwegig. Vor gar nicht all zu langer Zeit hat die Kleidung auf den ersten Blick den Berufsstand verraten. Kann man heutzutage anhand der Kleidung noch sagen wer welchen Beruf ausübt? Damit beschäftigte sich Gunnar Hämmerle bei seinem Vortrag bei der Atelier Night am 18. Oktober 2012 im Provisorium.
Früher bestimmte der soziale Status die Kleidung einer Person – sie waren durch ihre Stände gebunden. In unserer Gesellschaft scheint es, als wären dem persönlichen Stil kaum noch Grenzen gesetzt. Aber warum sehen wir dann trotzdem alle auf eine gewisse Art und Weise gleich aus? Der Reiz sich selbst zu definieren und sich gleichzeitig in einem Kollektiv zu entfalten, lässt den Massenindiviualismus aufleben.
Gunnar Hämmerle, Street Style Fotograf und Initiator von STYLE/CLICKER hat sich schon länger gefragt, ob wir sind was wir tragen, oder tragen was wir sind? Seine eigenen Arbeiten sind wesentlich geprägt von August Sander, Fotograf der neuen Sachlichkeit. Gunnar nennt ihn den Vorreiter der „Street Style Fotografie“ und betrachtet man die Bilder im Vergleich, wird klar worauf er seine These stützt. Sander interessierte sich besonders für die Dokumentation der verschiedenen Menschen in der Bevölkerung, die er in Gruppen einteilte. Er zeigte sie in typischer Umgebung und charakteristischer Kleidung, den Blick in die Kamera gerichtet. Sein Fokus lag in der konventionellen und nicht in der individuellen Form des Kleidungsstil, die Gunnar im Gegensatz hervorhebt.
Ein Gespräch mit Gunnar über die Demokratiesierung der Mode.
Links: Gunnar Hämmerle „Casual Chic Stockholm„, Rechts: August Sander „People of the Twentieth Century„
Gunnar, du betreibst seit 2006 mit deinem Bruder und Partner Lennart den Blog STYLE/CLICKER, was hat sich seit dem verändert?
Über Street Style Blogs braucht man inzwischen keine Diplomarbeit mehr schreiben. Der Markt ist relativ gesättigt. Blogs im Allgemeinen, sind in den letzten Jahren zu einem ganz eigenen Kommunikationskanal geworden. Es war für viele etablierte Modejournalisten schwierig, dass auf einmal Blogger in den vordersten Reihen der Fashion Shows saßen. Da kam dann oft Missgunst ins Spiel. Die Industrie hat die Blogosphäre aber für sich verstanden und genutzt, Blogs haben eine ganz eigene Authentizität. Außerdem hat dadurch eine Demokratiesierung der Mode statt gefunden.
Du hast nicht nur wegen STYLE/CLICKER tagtäglich mit Mode zu tun. Du bist auch auf vielen Fashion Shows, was spricht dich modisch am meisten an?
Ich stehe selbst auf Kleidung, die man lange haben kann und nicht saisonal nach kurzer Zeit weg wirft. Das ist ein Grund, warum ich der Modeindustrie kritisch gegenüber eingestellt bin, es hat oftmals den bitteren Geschmack des Überkonsums. Ich mag den Second-Hand Charakter der momentan wieder auflebt.
Modeblogger werden immer jünger. Tavi Gevinson hat zum Beispiel schon mit 13 Jahren die Fashion-Welt erobert. Was hälst du von diesem Phänomen?
Ich finde es durchaus gut, wenn jemand etwas mit Begeisterung verfolgt. Das Internet bietet hier auch alle Möglichkeiten. Inzwischen ist es nun sicherlich schwerer einen Street Style Blog aufzuziehen. Da es einfach schon viele etablierte Seiten gibt. Man muss da selbst seine Nische finden wie Dandy Diary. Sie sind mit ihrem Konzept innerhalb kürzester Zeit zu einem wichtigen Mode Blog in Deutschland geworden.
Das hinter einem Blog Begeisterung stecken sollte hast du uns eben verraten – was bedeutet Bloggen für dich?
Bloggen ist Leidenschaft. Es ist die Idee, Inhalte mit der ganzen Welt zu teilen. Auch ohne Kapital können diese auf der ganzen Welt gefunden werden. Man darf aber nicht den Fehler machen Blogs mit Journalismus zu vergleichen, sie sind ein ganz eigenes Medium und leben aus der Subjektivität heraus.
Du fotografierst auch viel in München, dabei hat München nicht gerade einen Ruf als Modestadt?
München ist nun wirklich keine Modestadt, aber das ist doch vielleicht auch das Schöne an München, da kann man noch auffallen. Man setzt hier auch gerne mit dem was man anzieht ein Statement, wie man von anderen Menschen wahrgenommen werden will. Heutzutage kann man seine Kleidung freier wählen, aber das heißt nicht zwingend, dass man dadurch individueller ist. Mode in Bezug auf Trend interessiert mich ja eh nicht, sondern der Stil, der mit Persönlichkeit und Identität zu tun hat.
Der Halbschwede Gunnar Hämmerle, 1971 in München geboren, hat mit einer gebrauchten Nikon FE2 das fotografieren gelernt. Sein Blog STYLE/CLICKER, gehört zu den etablierten Modeblogs in Deutschland – in einigen Wochen wird es einen Relaunch geben.