Berlin Music Week 2012: New Music – New Business?

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Berlin feiert sich. Mal wieder. Das kennt man dort sonst vor allem von Veranstaltungen wie der „Fête de la Musique“ oder dem „Karneval der Kulturen“. In der zweiten Septemberwoche steht die Berlin Music Week an – dann dreht sich in der Hauptstadt aber trotzdem nicht alles nur um MUSIK alleine – wie der Name der Veranstaltung vermuten lassen würde. Die Themen GEMA, Künstlerschutz, Kreativ-Förderung und natürlich viele Live-Acts stehen auf der Agenda der Berlin Musik Week 2012. Einer durfte bei all dem natürlich nicht Fehlen: der Vorzeige-Querdenker mit den intelligenten, blauen Augen Tim Renner.

Von Weitem fällt er bei den Podiumsdiskussionen im Spreespeicher auf – in lässiger weißer Hose mit blauem Ringelshirt. Zum „Public Coaching: Alternative“ in Friedrichshain fährt er mit dem Fahrrad, um Abends im schlichten Anzug mit legerem blauen Shirt auf der Abschlussrunde der Reihe „Art and Politics: New Music – New Business?“, mit Stefan Zilch von Spotify, Björn Böhning und Brigitte Zypries. Zusammen gehen sie der Frage nach, wie man mit guter Musik auch gutes Geld verdienen könne.

Tim Renner, Geschäftsführer von Motor Entertainment – unverzichtbar auf der Music Week – geht zunächst auf das Dilemma der Musikindustrie ein: Sie hinke hinterher, da sie die digitale Revolution durch die Möglichkeiten des Internet schlichtweg verpasst habe, sich immer noch abgedrängt von illegalen Downloads auf der Randspur fühle. Umdenken ist gefordert, der Deutschlandchef von Spotify ist davon überzeugt: „Alles muss kostenlos zur Verfügung stehen“, sowie es das schwedisches Geschäftsmodell seit März 2012 auch in Deutschland anbietet. Aber das ist bisher ein Tropfen auf dem heißen Stein. Selbst hier ist noch keine endgültige GEMA-Einigung eingetreten.

„Vergüten statt Verbieten“ darauf beharrt Renner. „Warum verbietet man kino.to anstatt etwas vergleichbares selbst kostenpflichtig zu initiieren?“, das sieht Renner als eines der Probleme überhaupt an. Wenn die Anfrage nicht auf legalem Weg befriedigt werden kann, geschieht es auf Umwegen. Als Musikproduzent steht Renner auf der Seite der Labels und ist Mitglied der GEMA. Schon an dieser Schnittstelle gibt es noch viele ungelöste Probleme, denn die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, möchte die Nutzung der Musiktitel einzeln auflisten und vergüten, deshalb sind dieser Tage die Proteste in den großen deutschen Städten wieder laut geworden. Parolen im Netz spiegeln den Unmut der GEMA gegenüber: „Leider sind Diskotheken und Clubs in Deutschland bald nicht mehr verfügbar, da dort Musik gespielt wird, für die die GEMA keine fairen Gebühren verlangt.“

Youtube Einblendung bei fehlenden Musikrechten der GEMA

Es ist wichtig eine Lösung zu finden im GEMA-Streit, Renner ist Experte auf diesem Gebiet: „Das Wichtigste zu schützende, ist der Artist selbst“ – und dazu tragen eben auch die GEMA-Gebühren bei. Damit sich mit guter Musik auch Geld verdienen lässt, „müsste man die Satzung der GEMA ändern“, jedoch, so führt Renner weiter aus, „ist das Dilemma teils auf die deutsche Bürokratie mit ihrem Vereinsrechts zurück zu führen. Sie mache es momentan unmöglich Satzungen der Gesellschaft zu ändern, da dafür eine 50%-Mehrheit aller GEMA-Mitglieder nötig wäre.“ Der Journalist und Autor steht dafür ein „neue Geschäftsmodelle zu fördern, nicht veraltete zu schützen.“ Es müsse darum gehen, dass die Urheber für ihre Arbeit entlohnt würden und nicht die Plattenfirmen davon profitierten. Es könne nicht Aufgabe der Politik sein, diese Geschäftsmodelle, die sich überholt hätten, zu schützen. Die Wirtschaft müsse Modelle entwickeln, die den neuen Gegebenheiten entsprechen würden.

Die Politik hat die Relevanz und das Potenzial der Kreativwirtschaft durchaus erkannt, für sich, zeigt sich im Gespräch. Von Seitens Herrn Böring, Chef der Berliner Senatskanzlei wurden Zusagen an Förderungen für junge Musiker gemacht, man müsse eben nur noch die genaue Geldvergabe klären. Musik sei dynamisch, deshalb solle die Verteilung von Jahr zu Jahr überdacht werden. Aus dem Publikum wird eine Stimme laut: „Warum bleibt Musikunterricht an Schulen dann weiter gekürzt und wie sehen diese Förderungen konkret aus?“ Von einer direkten Kürzung der letzten Jahre wisse man nichts, und schon wurde das Gespräch geschickt in Richtung Wahlkampf gelenkt.

Aber bekanntlich ist nach der Wahl vor der Wahl und Denkansätze für Politiker und vor allem Kreative hat die dritte Music Week 2012 so einige angestoßen – und die Popkomm, die hat ihr dabei dieses Jahr nicht gefehlt!

Hier findet ihr Tim Renners Blogartikel: „Auf die dritte Stimme hören: Vergüten statt Verbieten“.

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