Gebhard Littich: „Die Zahlen müssen stimmen.“

Gebhard-Littich©Natalie-Mayroth

Gebhard Littichs Leidenschaft ist die Fotografie. Bisher fotografierte er meist nur in seiner Freizeit, als kreativen Ausgleich zu seinem Arbeitsalltag. Mit seinen Fotografien baut er sich aber zunehmend einen Ruf über seine Wahlheimat Zürich hinaus und in der Netzgemeinde auf. Er nutzt dabei sowohl die digitalen und analogen Möglichkeiten – Ersteres bevorzugt er für Architekturaufnahmen und den klassischen 35-mm Film für Porträts im Freien.

Im Münchner Café Jasmin treffe ich ihn auf eine heiße Schokolade, als er während der kalten Weihnachtsfeiertage gerade in München zu Besuch ist. Wir sitzen uns in dem kleinen Café in der Steinheilstraße gegenüber, das ein bisschen dem Flair eines gemütlichen Wohnzimmers einer älteren Dame entspricht. Bestückt ist es mit alten Möbeln, Couchen in grünsamtigen Bezügen und blumig-goldener Tapete. Mit Kugelschreiber auf die Innenfläche seiner linken Hand gemalt steht Selbstdarstellungsskunst. Die Fotografie ist für ihn zugleich eine Kunst, an die er sich mit Respekt heranwagt.

Ein Gespräch mit Gebhard über Zahlen in der Fotografie und ein Superhelden Problem.

Gebhard, wenn man von dir bisher auch noch nicht viel lesen kann, sondern viel mehr sehen, gibt es trotzdem ein Heftchen namens „hello my name is gebhard. like the animal. Wie kam es dazu?“

Ich hatte Anfang des Jahres in Berlin die Gelegenheit, Bekanntschaft mit eurer Autorin Jovana Reisinger zu machen. Wir hatten viel Spaß dort und wollten eines Abends eine begehbare Kunstinstallation in der Wilden Renate besuchen. Allerdings war diese leider schon geschlossen als wir ankamen. Dem Wärter des Spiegellabyrinths, der im Übrigen eine Frisur in Palmenform auf seinem Kopf trug, stellte ich mich freundlich mit „hello, my name is Gebhard, like the animal“, vor. Ganz einfach, eigentlich. Und das diente Jovana wohl als Inspiration und Namensgebung für das Heft. Seitdem stelle ich mich besonders Frauen immer mal wieder gerne so vor. Ich weiß nicht wieso – aber das kommt ganz gut an.

Geboren in Wien, zog es dich zum Studium nach Zürich – wie sehr hat dich die Stadt in Bezug auf deine Fotografie inspiriert?

Eigentlich ist Zürich – besonders im Winter – eine grauenvoll graue Stadt. Aber aus einem bestimmten Grund finde ich schlechtes Wetter für Fotografie unheimlich inspirierend; besonders für Landschafts- oder Architekturaufnahmen. Ich mag das Triste, Farblose, Entsättigte. In Zürich ist außerdem das Industriegebiet häufig durchmischt mit dem Wohnquartier, was wiederum zum Teil sehr interessante Sujets bildet. Um ehrlich zu sein, finde ich aber kaum Inspiration in Städten oder Orten, vielmehr aber durch die Menschen, die in diesen wohnen, also durch meine Freunde. Architektonisch hat Zürich sonst auch recht wenig zu bieten – Basel ist da weitaus spannender. Meine Christian Kerez Serie ist da eine Ausnahme.

Im alltäglichen Leben gehst du einem sehr bürgerlichen Beruf nach, inwieweit gibt dir das einen Ausgleich zu deiner freien und kreativen Arbeit?

Meine Arbeit nimmt mich sehr ein und lässt mir häufig zu wenig Zeit, meiner kreativen Ader nachzugehen. Deshalb ist eigentlich genau das Gegenteil der Fall: Die Fotografie ist eine wundervolle und erfüllende Abwechslung zur alltäglichen Arbeit – nicht anders herum. Auch ein Superheld kennt dieses Problem, man kann nicht immer zu nur seiner Leidenschaft nachgehen.

clark-gebhard

An dieser Stelle sprechen wir nicht über deinen Beruf. Nur einen kleinen Wink, du arbeitest mit großen Zahlen. Zahlen und Kunst – wie verhält sich das für dich zueinander?

Zahlen sind nur die Ausführung, die Kameratechnik, die Frage nach dem Objektiv, der Blende, der Beleuchtung. Die Theorie dahinter ist Motiv, Begründung und Konzept. Allerdings ergibt erst beides zusammen den ästhetischen Reiz, den eine Komposition in jedem Fall haben muss, um interessant zu sein. Eine Fotografie kann konzeptionell noch so spannend und durchdacht sein. So lange die Zahlen nicht stimmen, fehlt etwas.

Gebhard, was fotografierst du am liebsten und gibt es Präferenzen bei Motiv- und Kamerawahl?

Interessante Menschen gehören auf jeden Fall dazu. Diese fotografiere ich am liebsten analog, damit kommt das Menschliche unverfälschter zur Geltung. Bei der Architektur- oder Landschaftsaufnahmen ist mir hingegen die Perfektion sehr wichtig, und der größte Maßstab, da greife ich dann nun doch zur digitalen Kamera.

Woher soll man Inspiration schöpfen, wenn man schon alles gesehen hat – sowie du mit deinem gleichnamigen Tumblr?

Konzeptionell geschieht dies bei mir durch Gespräche mit Freunden, durch Anregungen von Texten, durch Nachdenken. Ästhetisch orientiere ich mich durch andere wundervolle Fotografen wie den Kanadier Jeff Wall oder dem Schweizer Georg Aerni (der hängt sogar auf dem Leutkasten in den Offices meines bürgerlichen Jobs!) oder die Weiten des Internets. Ich habe übrigens auch mal den Gursky gemocht, aber der ist wohl so ein arroganter Typ, irgendwie kann ich den nicht mehr leiden. Auch die Arbeiten von Thomas Struth finde ich gut, eigentlich gefällt mir ziemlich viel Fotografie die man weithin der „Düsseldorfer Photoschule“ zuordnet. Alles gesehen zu haben – steigert und hemmt die Inspiration allerdings wohl gleichermaßen. Es ist wohl im Endeffekt ein Nullsummenspiel. Mein Tumblr „Alles schon gesehen“ bezieht sich dabei mehr auf die Uniformität der Netzwelt. Blogs gibt es ja nun mal wie Sand am Meer und ich erhebe mit meinem auch gar nicht den Anspruch individueller zu sein als die anderen.

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Gebhard Littichs Inspirations Tumblr

Gebhard Littichs Website mit seinen Fotografien

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gebhardlittich.com:architektur:aussen:3_engevollresized

gebhardlittich.com: inderstadtandijovana01resized

gebhardlittich.com:landschaften:see

GebhardLittich_Walchensee

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