Fabian Hart: „Ich bin ein Mix und Match aus Männerbildern.“

Fabian Hart (c) Roman RätzkeFoto: Roman Rätzke

Er fängt Trends ein und gibt sie in seiner eigenen, lyrischen Form wieder: der wahrscheinlich bekannteste deutsche Modeblogger Fabian Hart, 30. Ich treffe ihn im Hamburger Kampnagel, einem ehemaligen Fabrikgelände, in dem internationale Theater-Ensembles experimentelle Stücke aufführen. In echt ist der gebürtige Baden-Badener nicht so unnahbar cool, wie er auf den Fotos im Internet guckt. Er erzählt mir vom Vollzeit-Bloggen, von Glaubwürdigkeit und Preisgabe.

Fabian, vor drei Monaten hast du für fünf Magazine gearbeitet. Jetzt schreibst du nur noch für deinen Blog. Was hat sich verändert?

Nicht viel. Ich sitze genauso meine Stunden am Tag am Computer und schreibe, telefoniere und recherchiere. Der Unterschied: Ich bin jetzt eine One-Man-Show. Es gibt niemanden über mir, ich verantworte alles selbst. Das ist auf der einen Seite sehr befreiend. Auf der anderen Seite musst du ein gutes Bewusstsein für deine Themen entwickeln, weil niemand gegenliest und sagt: so geht es nicht.

Wie ergeben sich aus dem Bloggen deine Aufträge?

Ich mag den englischen Begriff Testimonial. Ich bin eine Art Fürsprecher für Marken, in denen ich mich wohlfühle und die meinen Stil verkörpern. Ich trage sie in ein paar meiner Beiträge, zum Beispiel wenn ich einen Musiker interviewe. Das findet nur am Rande statt und wird auch gekennzeichnet. Ich mache das nur mit einer Marke, die ich mag und in der Gestaltung meiner Beiträge bin ich völlig frei.

Wie läuft das in der Praxis: Schreibst du die Marken an?

Mode-Marken kommen auf mich zu. Klinken putzen ist nicht so mein Ding. Mit den meisten war ich schon in Kontakt, als ich noch für Magazine gearbeitet habe. Ich suche mir Klamotten aus, wie ein Redakteur oder Stylist. Die werden mir geschickt und ich schicke sie später, nach dem Shooting, wieder zurück. Dafür stelle ich so und so viel in Rechnung.

Machst du die Fotos selbst?

Teilweise ja. Wenn ich selbst darauf zu sehen bin, machen das befreundete Fotografen.

Deine Texte sind sehr poetisch. Wie lange brauchst du für einen Beitrag?

Einen Tag. Ich bereite meine Themen genau so gründlich vor wie für einen Print-Artikel. Das Entwickeln des Themas, das Bearbeiten der Bilder, Zusammenfügen, Schreiben, Headline, Subline, Vorspann – da steckt viel Arbeit drin.

Bei Modebloggern denken viele in erster Linie an Klamotten. Was ist Mode für dich?

Ich finde es die ursprünglichste und logischste Art Mode so zu verstehen, dass sie unser Verhalten und unsere Denkart widerspiegelt. Das umfasst viel mehr als nur Klamotte.

Mode ist auch ein veraltetes Wort. Man hört viel öfter Trend, hip, cool.

Ich sage gerne: das find ich modisch.

Das klingt ein bisschen wie von einem 60-Jährigen.

Das mag ich!

Siehst du dich als Journalist oder als Blogger?

Ich sehe mich als Autor, der auch journalistisch arbeiten kann. Das fällt natürlich weg, wenn ich Texte schreibe, die eher Kurzgeschichte sind als Artikel. Auf der anderen Seite baue ich auch in journalistische Beiträge Worte ein, die lyrisch sind, oder die es eigentlich nicht gibt.

Gefährdet das Bloggen nicht den Journalismus, da die Plattformen mit objektiver Berichterstattung weniger werden?

Ich finde es schwierig, dass man Blogs immer noch als unjournalistisch oder unglaubwürdig darstellt. Es gibt auch viele Print-Magazine ohne Qualität. Kein Mensch würde darauf kommen zu sagen: Wir setzen die Praline oder das Schlüsselloch mit dem Zeitmagazin oder der taz gleich. Obwohl es Printmedien sind, würde sie niemand vergleichen. Blogs werden generalisiert und vereinheitlicht. Es ist eine Frage der Zeit, bis Leute das Internet als vertrauensvolle Plattform empfinden und Qualitäten unterscheiden können. Wer schreibt? Wie schreibt er? Ist er vertrauenswürdig oder nicht?

Ist es für den Leser nicht schwierig, bei der Masse an Blogs gut von schlecht zu unterscheiden?

Klar, jeder hat eine Stimme im Netz. Jeder kann sie artikulieren und zu einer Publikation machen. Aber nur wenige Blogs halten sich. Ein Blog lebt auch von der ständigen Erneuerung, der Themenvielfalt, von den ständigen Updates. Wenn du das nicht lieferst, stirbt dein Blog.

Nervt das ständige Aktualisieren nicht?

Das musste ich beim Print auch.

Und das Preisgeben?

Ich gebe fast nichts von mir preis.

Aber was ich so gelesen habe … in den Details kann man schon viel über dich herausfinden.

Ja, aber das kontrolliere ich.

Dennoch veröffentlichst du in deinen Blog-Einträgen sehr viele Gedanken und Bilder von dir – ein bisschen exzentrisch, wie man es aus der Modebranche kennt. Aber du bist auch wie ein Soldat, wenn du so gefühllos in die Kamera guckst. Willst du ein neues Männerbild vermitteln?

Nein. Aber ich möchte auch keine Extreme darstellen, also weder der exaltierte Fashion-Blogger, noch der Langweiler sein. Ich versuche aus allen Männerbildern ein Mix und Match zu kreieren, sodass ich nie wirklich einem entspreche, aber doch alle vereine. Das ist das Spiel, dass mich reizt. Egal ob jemand in Süddeutschland zu Hause geblieben ist oder in Berlin seine Agentur in der Kastanienallee eröffnet: Ich glaube, ich habe eine Code gefunden, der nicht in ein Schema passt, aber für viele verständlich ist. Denn das ist mir wichtig: Ich möchte verständlich sein.

Seit drei Monaten bist du Berufs-Blogger. Nimmst du davon auch Urlaub?

Nein. Ausschalten, Handy weg, Computer aus – das funktioniert nicht. Vielleicht, irgendwann, wenn ich Autoren habe. Momentan funktioniert es nicht. Ich kann Beiträge vorbereiten, damit ich nur eine halbe Stunde brauche, um etwas online zu stellen – aber eigentlich bin schon voll und ganz auf den Job fixiert.

Was hast du jetzt mit deinem Blog noch vor?

Ich möchte, dass es erfolgreich wird und sich finanziell lohnt.

Mit Werbung?

Total gerne. Ich finde das legitim. Ich begrüße auch neue Möglichkeiten wie Sponsorships und Advertorials.

Sponsorships und Advertorials – findest du das nicht undurchsichtig?

Klar, das ist die Verantwortung eines jeden Bloggers. Wenn ein 16-jähriges Mädchen einen Blog aufmacht und plötzlich begreift, dass ihre Meinung gehört wird, bekommt sie daraufhin vielleicht eine Flasche Champagner geschenkt – darauf ist sie natürlich stolz und postet das. Doch sie merkt gar nicht, dass sie gerade ausgebeutet wurde. Das ist das Gleiche, wie wenn eine Praktikantin im Kopierraum begrapscht wird. Solche Dinge passieren, immer wieder. Aber dafür kann die Darstellungsform Bloggen nichts. Es ist auch eine Frage des Marken-Images. Wenn ich eine Marke auf einem Blog sehe, den ich nicht glaubwürdig finde, habe ich auch mit der Marke ein Problem. Von daher: Know your business!

Willst du hier in Hamburg bleiben?

Ja. Es gibt für mich keine andere Option in Deutschland als Hamburg. Berlin ist mir zu viel von allem. München ist mir zu eingebildet.

Wie bist du zum Journalismus gekommen?

Ich dachte es ist der beste Weg, wie ich jeden Tag etwas schreiben kann. Ich habe Journalismus mit Schwerpunkt Medienkommunikation in Hamburg studiert, viele Praktika gemacht und vor und während des Studiums viel gearbeitet. Ich war total heiß darauf, dass die Dinge, die ich mir ausdenke, jemand liest. Ich mach‘ jetzt ein Insta von dir. Oh nein, mein Akku ist leer!

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