Michael Pfitzner: „BHs finde ich unästhetisch.“

Michael Pfitzner (c) Philipp Nemenz

Michael ist zielstrebig und ein Hutliebhaber. Vor Kurzem erst hat er seinen 20. Geburtstag gefeiert – wo er hin will weiß er aber schon lange: Seit mehr als sechs Jahren fotografiert und assistiert er. Unteranderem bei Patrick Meroth, Dirk Bader und Michael Leis. Nicht immer frägt er um eine Erlaubnis, wenn er ein Bild von jemandem macht. Die Mädchen auf seinen Fotografien wirken heimlich fotografiert – Michael inszeniert sie aber in Absprache, so natürlich wie möglich.

Verabredet sind Michael und ich im Münchner Bar Café Hoover&Floyd und als ich ankomme, nippt er schon an seinem Rotweinglas. Die Gäste hier kennen ihn, für das Service-Personal scheint er zum Inventar zu gehören. Für mich ist es ein Déjà-Vu. Michael treffe ich nun schon zum zweiten Mal hier. Letztes Jahr hat er bei meinem illegalen Geburtstags-Zelt auf dem Rave Autonomica fotografiert und hatte zuvor um eine Vorbesprechung gebeten. Auch dieses Jahr wollte er lieber vorab per Telefon wissen, wo denn ein Interview mit seiner Person hinführen sollte. “Nur reden“, erkläre ich. Wie unter Freunden. Der Rest würde sich dann schon ergeben.

Michael, letztes Jahr war dein Portfolio noch voller perfekt ausbelichteter, technisch ausgereifter Modefotografien. Jetzt zeigst du auf deiner Seite das genaue Gegenteil: Viel Rauschen und Unschärfe. Wie ist es zu diesem Wandel gekommen?

Mir ist klar geworden, dass klassische Modefotografie im Moment nicht meins ist. Ich wollte immer Modefotografie machen, aber erst durch das Assistieren habe ich erkannt, von wie vielen Menschen so ein professionelles Mode-Shooting abhängt. Da kannst du gar nicht alles alleine machen. Du hast deinen Stylisten, Visagisten, jemanden fürs Licht usw. Wenn einer aus dem Team nicht gut ist, dann vergiss das Bild. Ich persönlich fühle mich eher unwohl, wenn da so viele Leute um mich herum wuseln. Assistenten sind mir fast schon unangenehm, auch wenn ich natürlich momentan selbst viel assistiere. Mir ist es lieber, wenn da nur das Model und ich sind.

Ich habe außerdem für mich festgestellt, dass es mehr gibt in der Fotografie, als die Technik perfekt zu beherrschen. Diese ganzen Regeln aus Fotobüchern, mit denen kann ich nichts mehr anfangen. Mehr als 400 ASA ist da verboten, aber das ist mir egal, wenn ich mit 3000 ASA fotografiere? Es sieht schlicht und einfach anders aus. Mehr nicht. Eigentlich ist doch alles erlaubt. Was ich jetzt hauptsächlich machen will, ist ehrlich zu fotografieren. Also eine Ehrlichkeit in die Bilder reinzubekommen. Frag mich nicht, was ich damit meine.

Natürlich will ich wissen, wie du das meinst?

Ich versuche, es zu erklären. Die Retusche und das ewige Unechte in der Werbefotografie, daran habe ich mich sattgesehen. Ich mag auch keine Posen. Mit ehrlich meine ich nicht aufgesetzt. Viele der Bilder wirken jetzt im besten Fall wie Schnappschüsse.

Für Schnappschüsse sind deine Models aber schon auffällig oft nackt bzw. Oben ohne? 


Ich finde BHs total unästhetisch. 
Ab und zu nackt sein ist natürlich. Das wird ja gerade schon wieder voll verpönt.

Echt? Lady Gaga war doch für die Abramovic-Methode erst kürzlich ganz nackt im Internet zu bewundern.



Wer darauf steht.



Und Lady Gaga ist nicht ehrlich, wenn sie nackt ist?



Ich denke das ist was Anderes.

Was hast du denn gegen BHs?

Also ich habe jetzt nichts gegen BHs im Alltag, nur bei Fotos stören sie mich. Auf Fotos wirken Körper anders. Schambehaarung finde ich auf Fotos zum Beispiel unglaublich ästhetisch, auch wenn das in der westlichen Welt so nicht als schön gilt. Also momentan.



Bist du mit den Models befreundet, dass du sie so intim fotografieren darfst?

Teils Teils. Freunde und Bekannte, aber ich spreche auch fremde Leute an. Ich versuche, die Personen vorzugsweise bei sich zu Hause zu fotografieren. Das hat noch was privates, was ich spannend finde, weil das noch mehr über eine Person sagt.

Hat das mit deiner Suche nach Ehrlichkeit zu tun?

Weiß ich nicht. Mir ist aufgefallen, dass viele Fotografen sagen, es würde Ihnen um die Echtheit der Menschen gehen, wenn sie Fotos machen. Ich meine ja, das geht nicht. Das ist unheimlich schwierig, dass wenn ich zum Beispiel dich fotografiere, du auch diejenige bist, die ich abbilde. Letztendlich bin ich immer mit im Bild.



Geht es dir darum noch mehr zuzugeben, was du genau ansiehst?

Ja zum Beispiel, aber auch nicht ganz. Also vor allem geht es mir darum, meine Geschichten mit meiner Fotografie zu erzählen. Das was ich im Kopf habe zu zeigen. Ich möchte, dass man diese Geschichten noch besser erkennt und herauslesen kann. Ich zeichne oft Moods und Ideen in ein Notizbuch.

Du planst also auch deine Schnappschüsse mit Zeichnungen?

Ich habe von einem befreundeten Fotografen Mal gehört, dass man als Fotograf auch zeichnen können muss. Dass das beides zusammengehört. Zeichnen schult das Auge, man lernt genau hinzusehen. Also ich habe gemerkt, dass mir die Arbeit am Set sehr viel leichter fällt, wenn ich die Einstellungen vorher gezeichnet habe und ich nur noch die einzelnen Einstellungen abarbeiten kann. Oft wird es aber auch ganz anders wie vorgezeichnet.

Würdest du sagen, du hast deinen Stil jetzt gefunden?

Nein! Ich hoffe ich habe nie einen Stil. Das ist der Tod! Ich hoffe, irgendwann einen Wiedererkennungswert zu haben. Ich bin ein Fan von Bob Dylan, er hat sich ständig gewandelt. Er hat Rock gemacht, dann wieder Balladen. Jetzt macht er Country. Das bewundere ich: Sich wandeln können. Ich wandel mich sehr. Wenn ich keinen Bock mehr auf was habe, dann erfinde ich was Neues. Nur Hüte, die will ich ewig tragen.

Bildnachweis Porträt: Philipp Nemenz
__________

Zu Michael Pfitzners Portfolio

__________

Auswahl seiner Arbeiten:

(c) Michael Pfitzner

(c) Michael Pfitzner

(c) Michael Pfitzner

(c) Michael Pfitzner

Was denkst Du?