Sophia Hoffmann: „Fleischessen ist nicht mehr zeitgemäß.“

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Wilde Tiger, schnippende Finger und bunte Meerjungfrauen zieren ihre Arme. Sie grinst mich fröhlich an. Heute begegnet mir Sophia aber nicht hinter den Plattentellern oder in rot karierter Rüschenschürze, wie ich sie sonst voller Elan erlebt habe. Im kleinen schwedischen Café Valentin in Kreuzkölln verabreden wir uns zu Latte Macchiato und warmen Zimtschnecken. Eine emanzipierte Großstadt-Köchin, DJ und bloggende Journalistin. Das ist sie: Sophia Hoffmann, 33. Sie schreibt unter anderem für das Indie Magazine, Mitteschön, Biorama und den Freitag. Gebürtig stammt sie aus München, zog zwischenzeitlich nach Wien bevor sie in Berlin landete. Als Tigeress DJs haben sich Sophia und Kollegin Nina zusammengetan und jahrelang im Atomic Café, Pimpernel oder im White Trash in ausgeflippten Kostümen von Flamingo bis Britgirl ausgetobt. Seit 5 Jahren leben beide in der Hauptstadt und sind dem fleischfreien Kochen verfallen. Jede auf ihre Weise.

Sophia, du arbeitest als DJ, Köchin und freie Journalistin…

Eine Zeit lang war ich ca. die Hälfte als freie Journalistin und die andere Hälfte als DJ tätig, doch allmählich hat das Kochen meine DJ-Auftritte abgelöst. Ich habe aber davor schon vieles ausprobiert. In München habe ich erst Soziologie, dann Deutsch und Geschichte auf Lehramt studiert. Das Studium habe ich dann geschmissen und eine Friseurlehre gemacht, ich habe aber danach nie wirklich als Friseur gearbeitet. Es stand fest, dass ich auf Dauer etwas anderes machen möchte. Dann bin ich für fast 5 Jahre nach Wien gezogen, habe in einer Band gesungen und drei Jahre lang fast ausschließlich Partys veranstaltet und sehr viel aufgelegt. 

Wie bist du dann zum Schreiben gekommen?

Ich habe schon immer geschrieben. In Wien habe ich eine Zeit lang ein Fanzine  gemacht und einfach in schwarz-weiß durch den Kopierer gezogen, aber nicht weil ich Journalistin sein wollte, sondern mehr als kreativer Output. Zu der Zeit als ich noch in einer Band war, wurde ich dann gefragt, ob ich nicht Musiktipps zusammenstellen möchte und die Anfragen haben sich gemehrt. Es ist aber nicht beim Musikjournalismus geblieben, mittlerweile schreibe ich über Kultur, Kunst, Ernährung und Gesellschaftsthemen. Und ich habe meine eigene Kochkolumne im Mitteschön Magazin, sie heißt „Happa Happa“.

Und deine DJ-Karriere bei Tigeress DJs hast du nun komplett an den Nagel gehängt?

Ja. Schon länger empfand ich die Nachtarbeit als anstrengend und anstelle der Leidenschaft war der Gedanke von Pflichterfüllung gerückt. Wenn man auf dem Höhepunkt einer Party hinter dem DJ-Pult steht, die Gäste beim Ausrasten beobachtet und in Wirklichkeit am Liebsten seit Stunden im Bett wäre, ist das ein untrügliches Zeichen zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Nina ist mir aber zum Glück nicht böse und spielt auch noch solo Gigs. Trotzdem widmet sie sich jetzt auch mehr dem Essen. Sie eröffnet sehr bald eine vegane Crêperie in Berlin, gleich bei uns ums Eck, die da heißen wird Let It Be.

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Vermisst du deine Zeiten als Partyqueen?

Ich habe gemerkt, dass ich etwas runterschrauben muss, es ist mir zu viel geworden. Ich versprühe aber auch mehr Lust, tagsüber wach zu sein als nachts. Auch das DJ-Dasein wird irgendwann zum Job. Aber lustigerweise erinnern mich die Dinner-Partys total daran. Ich habe davor genauso Lampenfieber, ob nicht jemand absagt und alles passt. Anscheinend brauche ich den Nervenkitzel, wenn es jetzt nicht mehr im Nachtleben ist, dann hier.

Also hat sich deine Bloggerleidenschaft nun ebenfalls fast ausschließlich aufs Essen verlagert?

Das war eine schleichende Entwicklung. Ich habe wie jeder auch auf Facebook angefangen, Fotos zu posten und irgendwann wurde dann daraus der Blog „Oh Sophia“. Das war ein Findungsprozess. Am Anfang habe ich alles, was so passiert ist, Tagebuch mäßig verarbeitet. Mittlerweile geht es nur noch um Kochen und Essen. Irgendwann wuchs die Nachfrage, wo man die Gerichte auch probieren könnte. Vor ca. 1,5 Jahren habe ich dann das erste vegetarische Dinner mit ca. 25 Leuten veranstaltet. Es hat mich selbst überrascht, wie gut das funktioniert hat und seit dem beschlossen, es fortzusetzen.

Du kochst dann alleine für 25 Personen Vier-Gänge-Menüs?

Ja, manchmal sind es auch mehr. Ich hatte auch schon Veranstaltungen mit 45 Gästen. Am liebsten sind mir aber ein paar weniger, da es schon nicht ohne ist, für 40 Personen zu kochen. Vor Ort habe ich noch einen Schnippelboy, der mir mit dem Anrichten und dem Servieren hilft. Aber sonst mache ich alles alleine, und ich merke richtig, wie ich von Mal zu Mal besser werde.

Wann fand das erste Dinner statt?

Das erste Offizielle ist nun gut über ein Jahr her und lief unter dem Motto Monochrome. Seit Sommer 2012 finden die Dinner regelmäßig statt, ungefähr ein Mal Monat in Berlin, aber auch ab und zu in Wien und am 28.11 zum zweiten Mal in München. Ich muss allerdings zugeben, dass ich das zeitlich nicht schaffen würde, wenn ich nicht Freiberuflerin wäre, da es schon sehr zeitintensiv ist, das alleine vorzubereiten. Ich denke mir alle Gerichte selbst aus, koch sie vor und überlege mir ein Thema als Überbau.

Du lebst also den Fluch und Segen des Freien…

Ich empfinde es als etwas wahnsinnig Befreiendes, nicht fest irgendwo hin zu müssen. Das habe ich in meinem Leben schon oft genug gemacht. Auch davor hatte ich immer nebenbei eine feste Stelle, bis ich vor fast drei Jahren meinen Job im Bioladen gekündigt habe und den Schritt zur Selbstständigkeit gewagt. Ich wollte es schaffen, dass ich meinen Lebensunterhalt nur noch damit bestreite, was ich gerne und frei mache. Das geht wahrscheinlich nur in Berlin, doch es hat funktioniert. Manche Leute brauchen vielleicht mehr Sicherheit, aber ich finde es echt angenehm.

Seit drei Jahren bist du nun dein eigener Herr und nimmst nur noch Jobs an, die dir gefallen?

Natürlich muss man auch mal etwas schreiben, worauf man jetzt nicht so Bock hat, doch ich suche mir meine Jobs selbst aus. Das ist meine Motivation. Ich blogge und schreibe für verschiedene Magazine, doch es ist schon so, dass ich das Kochen in letzter Zeit sehr ausgebaut habe und es auch langfristig mein Ziel ist Richtung Fernsehen und anderen Medien damit hervorzudringen, obwohl ich auch weiterhin sehr gerne schreibe. Es gibt in Deutschland einfach kaum Frauen, die im TV kochen. Das sollte man ändern!

Wenn man die deutsche Medienlandschaft betrachtet, ist es gesellschaftlich eine interessante Frage, warum hier Frauen fehlen.

Es gibt zwar schon einige Kochblogs von Frauen in Deutschland, aber vielleicht haben viele Frauen nicht so sehr den Drang sich in den Vordergrund zu stellen, wie es Männer tun. Ich würde von mir sagen, dass ich jetzt auch nicht dem Stereotyp an Frau entspreche, die zu Hause am Herd steht! Neben Lafer, Lichter oder Schuhbeck gibt es auch weibliche Köche wie Sarah Wiener, die sich in der Fernsehlandschaft durchgesetzt haben. Es sind aber nicht viele, und zudem koche ich nur vegan. Ich will niemanden missionieren, ich will einfach zeigen, dass es wohlschmeckende Alternativen zu Fleisch gibt. (Sie lacht.) Wenn jemand nach vier Gängen kein Fleisch vermisst, habe ich mein Ziel erreicht.

Du kochst nur vegan, wie kam es dazu?

Ich selbst esse seit ein paar Jahren gar kein Fleisch mehr. Ich hatte immer viele Freunde, die Vegetarier sind, so habe ich mich immer mehr damit auseinandergesetzt. Ein guter Leitartikel in der SZ vor ein paar Jahren darüber, dass Fleisch essen gar nicht mehr zeitgemäß ist, um eine ausgewogene Ernährung zu haben, hat mich zudem stark beeinflusst. Wer es wagt, sich intensiv mit dem Status Quo der Tierhaltung auseinanderzusetzen, den Arbeitsbedingungen der Angestellten und den kriminellen Praktiken der großen Konzern-Lobbys, dem vergeht innerhalb kürzester Zeit nicht nur der Appetit auf Fleisch, sondern auch auf andere tierische Produkte wie Eier, Milch- und Lederprodukte. Was einem trotzdem nicht passieren sollte, ist, zum Dogmatiker zu werden. Es wäre aber trotzdem gut, wenn die Menschheit einfach weniger Fleisch essen würde. Außerdem gibt es viele leckere Alternativen.

Was isst du dann selbst am liebsten?

Eindeutig ein gutes Thaicurry mit Tofu, da gehe ich auch gerne essen. Wenn ich für Gäste koche, würde ich „Falscher Hase“ oder „Veganes Hühnchen“ mit bunter Gemüsebeilage zubereiten oder hausgemachte Pasta mit lila Pesto.

Woher nimmst du die Inspiration für deine Dinnerpartys?

Meistens fängt es mit einer Idee für ein Motto an und dann überlege ich mir, wie ich es zusammenstelle. Wichtig ist mir dabei, dass es saisonale, regionale Lebensmittel sind, die ich verwende. Für Ausgewogenheit schaue ich darauf, dass sich auf den Tellern etwas Weiches, Knuspriges, Süßes und Salziges finden lässt. Und das Auge isst mit, deshalb liebe ich die knalligen Farben, die die Natur hervorbringt wild zu mischen. Karotten, Rote Bete, Spinat, schwarzer Sesam…

Verrätst du dann deine Rezepte auf dem Blog?

Natürlich. Dort finden Interessierte verschiedenste Kategorien: Süßes, Salziges, Besonderes, Alltägliches, Glutenfreies…

Was machen die Pläne für die Zukunft, geht es weiter mit deiner Kochshow?

Über ungelegte Eier spricht man nicht, das habe ich von Osterhasen gelernt. In Moment koche ich wie eine Wilde, blogge, veranstalte Dinner in drei Städten, kooperiere mit Kitchensurfing, einer Online-Platform, über die man mich nun auch buchen kann und freue mich auf eine zukünftige Zusammenarbeit mit Nina in ihrem neuen Laden, wo wir die Crepeplatten gegen die Plattenteller eintauschen werden! Alles weitere wird sich zeigen…

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Sophias Blog: oh-sophia.net

Das nächste Dinner findet am 28.11. 2013 in München statt.

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Eindrücke von Sophias Kochkünsten:

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Bildnachweis: Editorial – Natalie Mayroth, Essen – Sophia Hoffmann, Zoe Spawton

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