Ron Flieger: „Meine einzige Konstante: Auf mein Bauchgefühl hören.“

Ron Flieger in seinem Studio

Auf einer Party von Radio Puls im Yip Yap stellt mir Tobias Tzschaschel den Produzenten und Singer/Songwriter Ron Flieger vor. Einige Wochen später treffe ich Ron im Münchner Café Vorhölzer. Er bestellt sich einen gefühlten Maßkrug Wasser. „Das ist gesund. Man soll viel trinken“, meint er nur dazu, als ich ihn erstaunt darauf anspreche, um dann das Gespräch in Richtung seines Outfits zu lenken.

Ron, noch vor ein paar Jahren hattest du lange Haare, optisch mehr mit Indie-Einflüssen – das verrät zumindest ein Video-Interview auf Focus TV über dich. Wenn ich dich jetzt so sehe, würde ich dich in die Hipster-Schublade stecken. Was ist passiert? Hast du jetzt einen Stylisten?

(Lacht.) Nein, ich habe keinen Stylisten. Ich suche mir schon noch selbst aus, was ich trage. Sehr interessant, dass du Indie-Einflüsse nennst. Das hast du gut beobachtet. Es ist so, dass mein musikalischer Werdegang sehr früh angefangen hat und mit mir schon durch so einige Stadien gegangen ist. Meine ersten Schritte habe ich mit Hip-Hop Beats gemacht und mich aber dann schnell in der Singer/Songwriter-Rolle gefunden. Ich habe das große Glück gehabt, beziehungsweise wohl auch Talent mit Glück gepaart (Lacht.), dass ich dann auch schon mit 22 Jahren von dem Major-Label Warner-Chapell als Songwriter unter Vertrag genommen wurde. Das Interview, welches du da gerade angesprochen hast, das hat in meiner Singer-Songwriter-Phase stattgefunden, als ich Deutsche Texte verfasst habe.

Aber so ganz war Deutsch Pop nicht deins? Warum bist du nicht dabei geblieben?

Ich habe mich einfach weiterentwickelt. Irgendwo stehenbleiben, das will ich nicht. Mein Bauchgefühl ist eigentlich die einzige Konstante, die ich habe und das hat mir irgendwann gesagt, dass ich etwas anderes machen will. Es gibt viele Musik-Strömungen, die ich wahnsinnig spannend finde und ich habe das große Glück, immer wieder auf andere Menschen zu treffen, die sich für die Musik begeistern, die ich gut finde. Für mich ist alles dynamisch und verändert sich ständig, warum nicht auch ich?

Aber vielleicht verändert man sich ja nur so lange, bis man genau das gefunden hat, was einen so richtig durchstarten lässt?

Ja vielleicht.

Schreien nicht gerade Major-Labels nach Kontinuität und einem starken Wiedererkennungswert ihrer Musiker? Ich lehne mich aus dem Fenster und behaupte: Fans stehen nicht auf Wandel?

Das kommt darauf an. Beispiel: Radiohead. Diese Band hat sich wohl mit jedem Song neu erfunden. Dagegen die Rolling Stones machen immer noch das Gleiche. Ich will das aber gar nicht werten. Ich sehe den Wandel persönlich als einen ganz großen Freund von mir.

Folgende Zeilen stammen aus einem deiner Deutsch-Pop-Songs: „Wir sind stets im Wandel, wir sind stets unterwegs.“ Ist Wandel dein Leitfaden beim Musikmachen?

Der Wandel ist für mich ein Lebensgefühl, das geht für mich weit über die Musik hinaus. Ich glaube am Wichtigsten ist es, etwas zu machen, das Dir etwas bedeutet. Auf dem Weg triffst du auf Leute und dann passiert der sogenannte Effekt. Letztendlich muss man ja nicht so viel analysieren – aber natürlich sollten Bewegungen eine gewisse Kontinuität haben.

Du hast ein abgeschlossenes Medizin-Studium, bist aber jetzt Songwriter und Produzent. Wie passt das zusammen?

Mich fasziniert das wissenschaftliche Arbeiten. Ich kenne auch viele Leute, bei denen diese Verbindung von Musik und Wissenschaft da ist. Die Schnittstelle von Musik und Wissenschaft ist für mich das viele Ausdenken und Ausprobieren. Einen Zugang zu einer Fragestellung finden. Musik habe ich schon immer gemacht, aber ich wollte nicht um jeden Preis meinen Lebensunterhalt mit der Musik verdienen müssen. Dann wurde ich während meines Studiums von Warner Chapell unter Vertrag genommen. Daraufhin kam dann immer mehr und dann habe ich mich für die Musik entschieden. Mein Studio habe ich mir nach und nach zusammengekauft. Immer wenn gerade ein wenig Geld übrig war.

Von dir heißt es, dass du die Sachen, die du anfasst auch zu Geld machen kannst – viele Künstler schaffen den Schritt nicht mehr, auch noch ans Vermarkten zu denken.

Ist das wirklich bei anderen Künstlern so anders? Ich sehe da bei großen Bands keinen Unterschied. Die denken auch alle darüber nach, mit wem sie zusammenarbeiten und mit wem nicht. Ich arbeite mit vielen großen Unternehmen zusammen, natürlich müssen die wirtschaften. Da werden schon bestimmte Variablen vorausgesetzt. An die bin ich auch gebunden, aber ich habe noch niemand getroffen, der sich da entziehen kann, wenn er in der Liga mitspielen will.

Was meinst du mit vorausgesetzten Variablen?

Letztendlich wirst du am Erfolg gemessen. Ganz klar. Das ist für mich normal, fühlt sich auch nicht komisch an. Was sich für mich falsch anfühlen würde, wäre mit Leuten zusammenzuarbeiten, mit denen ich einfach nicht kann. Das kommt für mich nicht in Frage, ist aber leider in der Unterhaltungsbranche für viele oft der Fall.

Das heißt, kommerzialisieren ist für dich normal. Sich selbst verkaufen fängt für dich nur dann an, wenn man sich auf Sachen einlässt, die man eigentlich nicht will?

Ja. Natürlich musst du selbst entscheiden, mit wem du dir vorstellen kannst, zusammenzuarbeiten und mit wem nicht. Konzernen geht es vor allem darum, ein Stück von deiner Coolness als Künstler auf sich zu übertragen. Ich mache sehr viele Sachen nicht und das finde ich voll ok.

Aber zu einer Kooperation mit Red Bull hast du ja gesagt. Warum?

Ich mag ihre Music Academy und den kreativen Drive. Red Bull ermöglicht jungen Musik-Talenten wahnsinnig viel. Ich fühle mich mit den Leuten von Red Bull einfach wohl – das ist so eine persönliche Sympathie-Geschichte.

Du arbeitest selbst mit junge Musik-Talenten Was macht Dich auf eine Band aufmerksam?

Am Ende kommt es immer auf die Persönlichkeit an, auf eine Art Lebensgefühl. Was passiert, wenn man sich gegenübersitzt – passiert da was oder nicht. Dann ist es sehr wichtig, nicht immer darauf zu hören, was die Musikbranche gerade vorgibt. Zum Beispiel: Als ich mich entschieden habe, den Remix für Mutya Keisha Siobhan zu machen – da haben mir auch einige abgeraten. Aber ich finde die Art, wie die drei zusammen singen, einfach gut. Dass ich dann den Remix gemacht habe, das war absolut die richtige Entscheidung. Wenn Musik mit mir etwas macht, dann mache ich was damit. Da ist es mir egal, welche Musikrichtung das letztendlich ist, aber einen deutlichen Einschlag ins Elektronische, das haben die meisten meiner Projekte.

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