Daniel Blechmann: „Ich bin Designer und kein Celebrity.“

Daniel Blechmann (c) Vitoria Monteiro

Daniel Blechmann ist in Tel Aviv geboren, in Berlin aufgewachsen und hat in London Architektur studiert. Zurück in Berlin hat es nicht lange gedauert, bis er sein eigenes Modelabel für Männer gegründet hat. Ein Zitat aus einem Kurt Cobain-Interview diente als Inspiration für die Namensgebung: „Sopopular“.

Letzte Woche hat der Designer auf der Mercedes Benz Fashion Week in Berlin seine zehnte Kollektion gezeigt und wurde in den höchsten Tönen gelobt. Man spürt und sieht, dass seine Arbeit aus purer Leidenschaft entsteht. Die Schnitte sind klassisch, dennoch raffiniert geschnitten und werden immer wieder mit ausgeklügelten Details wie Lederelementen aufgebrochen. Alles ist in gedeckten Farben gehalten und leicht militärisch angehaucht. Wir trafen ihn Berlin-Mitte im OUKAN, ein avantgardistischer Store, der auch Sopopular vertreibt, und haben uns über seine Mode und die Belanglosigkeiten der digitalen Darstellung von Nichtigkeiten unterhalten.

Eigentlich hast du Architektur in London studiert. Wie bist du darauf gekommen, ein eigenes Label zu gründen?

Ich habe neben meinem Studium her immer mit Mode zu tun gehabt, habe als Stylist gearbeitet, sowie als Einkäufer für einen Store. Daraus ergab sich irgendwann die logische Konsequenz, ein eigenes Label zu gründen. Zum Teil auch aus egoistischen Gründen, denn oft konnte ich mir die Sachen, die mir gefallen haben, nicht leisten.

Für die letzte Kollektion war Tadao Andō, ein japanischer Architekt, eine Inspirationsquelle. Hast du eine spezielle Verbindung zu Japan?

Ich habe schon für verschiedene japanische Firmen um den Vertrieb gekümmert.
Mich fasziniert die Herangehensweise der Japaner. Ihre Liebe zum Detail, die klaren Linien, tolle Passformen und ihre Liebe zur Mode und zu allem Kreativem im Allgemeinen. In London hatte ich eine japanische Freundin und kam somit auch mit der dortigen japanischen Community in Verbindung, was mich sehr geprägt hat. Ich selbst war aber noch nie in Japan.

Du bist zwar in Tel Aviv geboren, aber in Berlin aufgewachsen. Was ist deine Meinung zu der Entwicklung der Stadt?

Berlin bedeutet für mich die Möglichkeit, sich selbst zu entfalten. Berlin ist sehr offen allem gegenüber und erinnert mich oft an London vor zehn Jahren, als die ganzen Künstler gekommen sind. Jetzt kommen alle Künstler nach Berlin. Es gibt hier eine tolle Musikszene, die mich sehr interessiert. Berlin ist noch am Anfang, hier hat man noch die Möglichkeit mitzuwachsen. Auf der einen Seite kamen die ganzen Leute, weil die Mieten so billig waren, mittlerweile ändert sich das total. Es wird sich auf jeden Fall so entwickeln, dass sich die Spreu vom Weizen trennt. Die Lebenskosten steigen immer mehr, aber der Verdienst nicht. Für viele junge Künstler wird es immer schwieriger, Fuß zu fassen. Dennoch habe ich das Gefühl, dass Berlin im Modesegment immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Warum hast du dich für Berlin statt London entschieden?

Es war ein organischer Weg, der sich mit der Zeit entwickelt hat. In Deutschland gibt es für mich keine alternative Stadt. Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Ich bin damals zurückgekommen, weil meine Familie hier ist und ich hier etwas aufbauen wollte. Meine ursprüngliche Intention war es eigentlich, zurück nach London zu gehen, was leider nicht geklappt hat. Es gibt zwar in London ganz andere Förderungsmittel, um ein Label aufzubauen, aber in Berlin ist es einfach günstiger. Ich glaube, Berlin ist ein guter Standort, um sich zu etablieren. Mein Traum wäre es, meinen Hauptsitz nach London zu verlegen.

Ich habe gelesen, dass sich deiner Meinung nach keine deutschen Männerlabels international durchsetzen können. Woran glaubst du liegt das?

Es ist schwierig. In den letzten Jahren hat sich das auch geändert, da es jetzt mehr Männerlabels gibt. Ich glaube, es ist leichter, sich international zu etablieren, als in Deutschland selbst. In Schweden oder England werden zum Beispiel lokale Designer sehr gefördert. In Deutschland ist es eher so, dass man ein schwedisches Label kauft, weil es hipper wirkt. Ich finde, Einkäufer sollten die einheimischen Labels mehr fördern. Es gibt mittlerweile richtig gute Männerlabels. Außer uns zum Beispiel Sissi Goetze oder Ivanman.

Dein Ziel ist es, eine klassische Zeitlosigkeit mit dem aktuellen Zeitgeist zu kombinieren. Wie verbindest du das genau?

Dadurch, dass ich viel Styling gemacht habe, ist es mir wichtig, Outfits von Kopf bis Fuß zu erstellen. Ich mag es, wenn man innerhalb einer Kollektion die Sachen mischen kann, sowie mit der Vorherigen und eine Art auf sich aufbauenden Kleiderschrank bildet. Ich halte nichts davon, sich einen Mantel für 2000 Euro zu kaufen, den man nur eine Saison tragen kann. Mir ist die Passform sehr wichtig, die Schnitte und die Qualität der Stoffe. Unsere Farben sind eher gedeckt gehalten, da man sie immer wieder anziehen und kombinieren kann, wie Grau, Schwarz oder Blau. Dazu mischen wir ein Grün oder Aubergine. Der Zeitgeist spielt auch auf jeden Fall eine große Rolle. Es ist aber nicht so, dass wir jede Saison eine komplett neue Kollektion auf den Markt bringen. Wir versuchen eher, uns immer zu entwickeln, Teile zu verbessern, perfektionieren und neue Teile dazu zu kombinieren. Klar, ich bin auch sehr beeinflusst von der Musik. Ich liebe Musik über alles. Das spielt immer eine Rolle.

Gibt es bei der Musik eine spezielle Richtung? Da bei der letzten Kollektion Grunge ein großes Thema bei dir war.

Ja natürlich. Ich bin sozusagen als Streetkid mit Hip Hop aufgewachsen. Das waren damals noch die goldenen 80er Jahre. Deutschland ging es wirtschaftlich ausgezeichnet und man hat es auch damals gespürt. Plötzlich kam eine Trendwelle mit Breakdance, Hip Hop und Skateboard zu uns rüber und so kam ich auch zum ersten Mal mit Streetwear in Berührung. Es war extrem faszinierend, sich und seine Szene durch Klamotten ausdrücken zu können. Heutzutage hat sich das geändert. Ich mag immer noch Hip Hop, aber ich liebe natürlich Alternative. Eine meiner Lieblingsbands sind 30 Seconds to Mars.

Mir ist aufgefallen, dass ihr besondere Models auswählt.

Ich mag Charaktere, die Jungs müssen etwas darstellen und ein Typ sein. Das spiegelt Sopopular wider und Models werten entweder eine Kollektion auf oder können sie auch kaputtmachen. Mein Lieblingsmodel ist momentan Cole Mohr.

Du hattest letzte Woche ein besonderes Jubiläum, deine zehnte Kollektion auf der Fashion Week. Wie sieht die Kollektion aus?

Die Kollektion heißt „X“, diesmal gab es ein bisschen mehr Farbe zu den Hauptfarben Schwarz, Grau, Blau und ganz wenig Aubergine. Die Kollektion ist eine Art Retroperspektive der letzten Kollektion, aber neu aufgebaut mit neuen Teilen und mit einem militärischen Einschlag. Die Strenge breche ich wiederum durch Streetwear-Elemente und kleinen Details auf.

Mode ist eine Widerspiegelung der Gesellschaft und ihrer aktuellen Zustände. Hat es eine besondere Bedeutung, wenn die Kollektion einen militärischen Einschlag hat und verschlossener ist?

Unsere Gesellschaft wird durch die ganzen Social Media-Aktivitäten immer transparenter. Sei es durch Facebook, Twitter oder Youtube. Die Leute können sich heutzutage eine neue virtuelle Identität aufbauen, sich selbst komplett anders darstellen und zu Hause sitzen, ohne dabei wirklich etwas zu machen. Ich finde, Menschen müssen wieder individueller und authentischer werden. Sich mehr direkt begegnen. Sei es, dass man zusammen im Café sitzt, von Angesicht zu Angesicht, anstatt jeden Blödsinn auf Instagram zu posten, was ich gerade esse oder wo ich gerade bin. Man gibt von sich nichts aus seinem Innersten preis, wie man sich fühlt oder was man wirklich in diesem Moment erfasst, man gibt letztendlich nur Oberflächlichkeiten von sich preis. Wen interessiert es, was du gerade isst oder wo du gerade gekotzt hast. Ich finde es spannender, Menschen im wahren Leben zu begegnen, statt über digitale Medien miteinander zu kommunizieren.

Fällt dir Selbstdarstellung schwierig?

Ich bin grundsätzlich kein Mensch, der sich groß selbst darstellt. Ich habe gelernt, mit der Presse umzugehen, das gehört auch dazu und ist manchmal auch sehr interessant. Ich habe tolle Menschen dadurch kennengelernt, aber ich bin kein Typ, der auf jeden roten Teppich und seine Fresse in jede Kamera halten muss. Ich bin Designer und kein Celebrity.

Was können wir in der Zukunft von Sopopular erwarten?

Größere Kollektionen, hoffentlich weltweites Wachstum und irgendwann mal eigene Stores. Schritt für Schritt.

____________

Daniels Seite: sopopular.net

____________

____________

Eindrücke von unserem Treffen:

So Popular (c) Vittoria Monteiro

So Popular (c) Vittoria Monteiro

So Popular (c) Vittoria Monteiro

So Popular (c) Vittoria Monteiro

Fotos: Vitoria Monteiro

Was denkst Du?