Nadya-Vanessa Vega: „Kritik macht mich stärker.“

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Vor fünf Jahren bekam Nadya-Vanessa Vega (23) das erste Mal eine Kamera in die Hände gedrückt. Damit begann damals ihre Karriere als Hausfotografin im Münchner Club P1. Die junge Frau zog es in den Bann des schillernden Nachtlebens, das sie mit ihrer Kamera dokumentierte. Doch ihr Leben war, wie sie es selbst sagt, aus der Bahn geraten. Deshalb entschied sie sich für einen Neuanfang in Berlin und fand zurück zu ihrer Berufung: der Fotografie. Seitdem ist viel passiert, doch die junge Mutter ist, trotz Umwegen und Momenten des Zweifelns, ihrem Ziel sich in der Fotografie zu etablieren treu geblieben. Als Nomnomvega lichtet sie heute Künstler wie den DJ Niconé, Jimmy Edgar oder die russische Kollegin Elizaveta Porodina ab. Sie hat sich emanzipiert hin zu einem Stil, der sich als erotische Gonzo-Fotografie beschreiben lässt. Dabei gewährt sie intime, aber dennoch sensible Einblicke mit viel nackter Haut. Nadya interessiert, was sich hinter der Kleidung von Menschen verbirgt, wie er sich ohne diese vor der Kamera gibt. In ihren Bildern zeigt sie Neugierde gepaart mit dem Hang zur Traurigkeit und Gespür für sinnliche zwischenmenschliche Situationen. Inspirieren lässt sie sich dabei gerne von den freizügigen Bildern des chinesischen Fotografen Ren Hang.

Viele Ereignisse aus ihrer lebhaften und nicht immer einfachen Zeit verarbeitet Nadya in ihrer Rohheit und Ehrlichkeit, die sich in ihren Bildern ausdrücken. Sie sucht Natürlichkeit, mag wenig Make-up und gewährt mit ihren Aktaufnahmen intime Einblicke. Hauptsächlich fotografiert sie aber Personen, die in ihren Augen etwas Besonderes an sich haben. Zum Gespräch lädt mich Nadya in eine Berliner Altbauwohnung im Prenzlauer Berg. Die Einraumwohnung ist klein, hell und dezent eingerichtet. Lediglich ihr Bett, eine pyramidenförmige Vitrine mit verschiedenen Kameras und ihr Computer stechen ins Auge. Sie hat gekocht und bevor mir die dunkeläugige Frau mehr von sich erzählt, essen wir zusammen.

Nadya, wie bist du nach Berlin gekommen?
Über Umwege. Eigentlich bin ich in einer kleinen Stadt in Niederbayern geboren. Meine Kindheit war nicht einfach. Ich bin sehr streng erzogen und behütet worden.

Wann hat sich das geändert?
Mein Vater ist verstorben als ich 17 Jahre alt war. Das hat mich damals sehr mitgenommen und ich hatte keine Geduld für die Schule. Meine Tante wollte dann, dass ich in Thailand eine private Universität besuche, doch ich habe mich eingesperrt gefühlt, deshalb bin ich nach zwei Monaten wieder zurück nach Deutschland.

Dort hast du dann ein paar Sachen nachgeholt…
…Sachen, die ich davor nicht kannte. Auf einmal war alles möglich. Ich habe mich ausgelebt, etwas zu sehr. Und es sind Dinge passiert, auf die ich nicht stolz bin. Ich habe mir damals sehr gut gefallen und wollte einfach einen gewissen Lebensstil halten.

Und zwischendurch warst du oft in Berlin zu Besuch?
Ja und das immer öfter, bis ich mir dort vor gut 1,5 Jahren ein Zimmer gesucht habe. Meine erste Anlaufstelle war eine WG in Kreuzberg, aber die meiste Zeit habe ich im Prenzlauer Berg gewohnt. Zu dem Zeitpunkt habe ich angefangen, mich intensiv mit der Fotografie zu beschäftigen, mir viele Tutorials angesehen und mich sehr angestrengt.

Woher nimmst du deine Motivation?
Fotos sind eine Art Bestätigung für mich. Das Feedback, die Veröffentlichungen. In den Phasen, wenn es  mir aus persönlichen Gründen nicht so gut geht, stürze ich mich auf die Arbeit, lass mich leiten und übertrage, was man vielleicht nicht sofort sieht, meine Aggression in die Bilder. Ich mag das Traurige an sich, ich mag keine lachenden Bilder. Ich mag das Gestellte nicht. Ich möchte die Person so darstellen, wie sie ist, mit einer Geschichte dahinter. Manche Models lassen das nicht zu. Deshalb unterhalte ich mich davor, suche mir auch gerne selbst Leute aus. Zu jedem Bild gibt es eine Geschichte. Die Shootings dauern dadurch schon manchmal fünf Stunden.

Das Feedback treibt dich voran?
Das sicherlich. Ich unterhalte mich öfters mit verschiedenen Fotografen. Aber natürlich bekommt man auch harte Kritik zu spüren, was zum Beispiel die Auswahl der Bilder angeht. Im Nachhinein betrachtet hilft mir das aber, wenn es konstruktiv ist. Seitdem selektiere ich mehr und mache weniger Serien. Kritik macht mich stärker.

Du hattest nun schon Ausstellungen in München und Berlin.
Meine ersten Beiden waren im Basement Berlin. Das waren meine Anfänge. Die liefen ganz okay. Es hat mir Kraft geben, dass Leute gekommen sind, um meine Bilder zu sehen. Aber es gab auch Kritik. Nun hatte ich vor Kurzem auch eine in München: Inkarnat. Das heißt so viel wie fleischfarben, dort habe ich 15 meiner besten Arbeiten aus den letzten zwei Jahren ausgestellt. Erotische Bilder, Liebesbeziehungen und intime Portraits.

Durch deine Vergangenheit hast du es in der Szene nicht immer leicht, wie wirkt sich das aus?
Es gab konkret bei einem Shooting eine Situation, dass mein Model Mails erhalten hat, er soll sich überlegen, ob er mit mir zusammenabreitet. Letztendlich hat das Shooting stattgefunden und die Bilder sind gut geworden, eines ist im Print veröffentlicht worden, aber es ist natürlich nicht leicht gegen Vorurteile anzukämpfen.

In Berlin hast dann angefangen Musiker zu fotografieren.
Das war ein bisschen Glück. Ich habe damals einen Song von Ry gehört, der mir so gut gefallen hat, dass ich ihn mit meinem Portfolio angeschrieben habe. Ich hätte nie erwartet, dass es klappt. Doch bei seinem nächsten Touraufenthalt in Deutschland haben wir uns getroffen. Es war wirklich sehr herzlich. Danach bekam ich einen Auftrag von Niconé oder habe von Jimmy Edgar Bilder gemacht. Zwischendurch war ich dann in Hamburg für ein Ausbildungsmagazin tätigt, aber ich habe gemerkt, dass ich mich mich dort nicht kreativ ausleben konnte. Deshalb bin wieder nach Berlin. Mit dem einem Ziel: Nomnomvega.

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Wer ist Nomnomvega?
Das bin ich. Ich habe inzwischen meinen Namen geändert. Da meine Fotografie doch etwas erotischer ist, fast schon lecker, kam die Kombination mit nomnom dazu.

Gibt es etwas, dass dir bei deinen Aufnahmen besonders wichtig ist?
Ausdruck. Nackte Haut ist nicht immer so ein Thema für mich, aber natürlich muss ich zugeben, dass ich Menschen gerne nackt sehe, aber nicht zu viel. Früher fand ich nackt geil. Ich finde es schon noch ästhetisch, jeder Mensch kann gut aussehen, aber mittlerweile ist es mir wichtiger Emotionen zu zeigen. Da ich viele Eindrücke mit mir mitgenommen habe, mag ich dieses dunkle Gefühl von Trauer. Das spiegelt mich auch auf eine gewisse Weise wieder. Deshalb versuche ich das auf meinen Bildern mit den Models zu transportieren.

Dieses dunkle Gefühl kann man eher durch die Verletzlichkeit von viel Haut zeigen?  
Ja, total.

Was findest du daran ästhetisch?
Das ist schwierig zu beschreiben. Ich mag Nacktheit. Jeder Mensch sieht anders aus. Mich macht es neugierig Leute nackt zusehen. Aber von diesem pornographischen Stil, den ich eine Zeit lang verfolgt habe, möchte ich weg. Ich finde es schöner, wenn auf Bildern nicht zu viel Preis geben wird. Ich werde öfters von Leuten angesprochen, die gerne nackt geshootet werden wollen, aber es muss schon etwas da sein, dass mir an dieser Person gefällt. Wenn ich bei ihnen nichts empfinde, fotografiere ich sie nicht.

Wie hat sich dein Stil seit den Anfängen verändert?
Ich habe eigentlich nichts von der Clubfotografie übernommen. Ich habe mich neu orientiert. Ich weiß jetzt mehr was ich will, was ich mache. Ich hatte auch schon durchgeplante Fashion-Shootings mit Stylistin, aber das hat mir nichts gegeben. Es muss schon noch ein bisschen roh sein. Das war mir zu gestellt und das Gespräch, um die Leute persönlich kennenzulernen hat mir da gefehlt auch wenn es oft Bekannte sind, die ich fotografiere. Ich habe gerne ein Vorgespräch, eine Basis, wo man sich dem anderen gegenüber öffnen kann.

Sonst arbeitest du ohne Stylist?
Für Magazine ist es was anderes, aber sonst nicht. Für die Zukunft habe ich mir das schon überlegt, aber vielleicht verliert es dann, wenn es zu perfekt ist. Das perfekte Make-up mit Smokey-Eyes – eigentlich bin ich nicht so Fan davon. In natura ist es mir lieber, wenn es geht.

Auf deinen Bildern ist selten nur eine Person zu sehen.
Ich habe meine Vorstellungen und möchte mehr diese Liebe, diese Szene zeigen, wenn Menschen sich fühlen, sich berühren.

Du warst vor kurzem in den USA, was hast du dort gemacht?
Ein Freund, den ich noch aus alten Zeiten kenne, hat mir dort einen Job vermittelt. Ich war dann mit einer Band auf Tour, die ich mit der Kamera begleitet habe. Amerika an sich hat mir schon gut gefallen, vielleicht nicht politisch, aber die Menschen sind sehr herzlich.

Wo warst du unterwegs?
Ich war in Chicago, New York, Atlanta, Texas und in vielen kleinen Staaten. Aber es ist eine komplett andere Welt als hier, die nicht unbedingt mit unseren Vorstellungen, die wir von den USA haben übereinstimmt.

Die Tourfotografie war jetzt Neuland für dich?
Es war gewollt, die Band aus einer anderen Perspektive, aus meiner Sicht zu zeigen. Für mich war es ungewohnt als einzige Frau mit zwölf Jungs im Tourbus zu sein. Ich habe mich aber schnell daran gewöhnt und tolle Leute kennengelernt.

Als Autodikadktin hat es bisher gut bei dir funktioniert. Hast du trotzdem überlegt Fotografie zu studieren?
Das habe ich schon, doch zum jetzigen Zeitpunkt habe ich Erfolg mit dem, was ich mache und ich entwickle mich. Ich habe mich für den harten Weg entschieden. Und das Auge für die Fotografie kann dir eine Schule auch nicht geben, deshalb ist es gerade kein Thema. Obwohl mich die Ostkreuzschule schon reizen würde. Ich bin zwar keine Buddhistin, aber ich glaube mittlerweile an Karma. Ich fühle, wenn ich Menschen etwas Gutes gebe, bekomme ich auch etwas zurück. Ich musste viel einstecken, für das, was in meiner Vergangenheit passiert ist. Aber das hat sich geändert. Momentan habe ich auch das eine oder andere Angebot aus dem Ausland bekommen.

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Eindrücke von Inkarnat:

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