Bastian Brauns: „Es bleibt nicht aus, als Person zu überzeugen.“

Bastian Brauns Foto: killdarlings.de

Glatt gebügelte Pflastersteine, ein süßes Café reiht sich an das nächste. Berlin Mitte. Vor einer der Altbauten bleibe ich stehen, mein Weg führt mich in den bepflanzten Hinterhof. Dort erwartet mich Bastian Brauns, 30, in seinem Apartment. Die lockigen Haare fallen ihm ins Gesicht, als er mich begrüßt. Doch bevor wir zum Gespräch übergehen, springt er noch kurz ins Nebenzimmer, um noch etwas für den Pressekompass zu erledigen, wo er derzeit als Chefredakteur arbeitet. Ein Snippet muss noch eingefügt werden.

Bastian, ehemaliger Henri-Nannen-Schüler, ist eines der zwanzig Gründungsmitglieder der Journalistengemeinschaft „Kill Your Darlings“. Sie haben sich nach ihrer Ausbildung auf verschiedene Städte verstreut: Hamburg, Berlin, Leipzig und Kabul. Da sie aber weiterhin zusammenarbeiten wollten, gründeten sie das Redaktionsbüro KYD. Sie bieten neben Textaufträgen und Videos auch App-Konzeption an; zu ihren Kunden zählen u.a. NEON, GEO und Spiegel Online. Momentan ist Bastian aber vor allem als Chefredakteur des Pressekompasses eingespannt. Labels und bekannte Namen können beim Eintritt in die Medienwelt behilflich sein, doch das alleine reicht nicht.

Bastian, wann kam euch die Idee zu einer Journalistengemeinschaft?

Wir haben im Juni 2013, noch während der Zeit an der Henri-Nannen-Schule, beschlossen, „Kill Your Darlings“ zu gründen, es aber erst etwas später in die Tat umgesetzt.

Wurde das von der Schule initiiert, euch als kompletten Jahrgang zusammenzutun?

Unser Jahrgang hat sich einfach gut verstanden. Das war die Grundvoraussetzung dafür, auch wenn nicht alle immer im gleichen Maß engagiert sind. Alle haben ihren Kopf dafür hergegeben – das ist natürlich ein Aushängeschild. Die Lage im Journalismus ist angespannt. Es gibt kaum mehr feste Stellen, Jahresverträge sind auch nicht mehr die Regel. Die Financial Times Deutschland hat damals vor unseren Augen zugemacht. Da ging auch auf einer sogenannten Eliteschule die Angst um vor dem, was danach kommt. Zudem hatten wir Beispiele aus den vorherigen Jahrgängen wie „Plan 17“, die sich in Teilen in einem eigenen Büro selbstständig gemacht haben. Das war immer wieder ein Thema. Wir hatten dann auch mit „Affe im Kopf“ eine Skype-Konferenz.

Warum das?

Uns hat ihre Aufmachung gefallen und wir wollten uns informieren, wie es bei denen so läuft und was man beachten sollte. Es war ein Erfahrungsaustausch, ganz kollegial und das Gespräch mit „Affe im Kopf“ war ermutigend. Sie waren einfach gut drauf.

Journalist zu werden ist nicht einfach, doch wenn man es erst auf eine der renommierten Schulen geschafft oder an ein Volontariat gelangt ist, sollte die Zukunft mit einer Festanstellung doch rosig aussehen?

Auf keinen Fall ist das so. Nur eine Handvoll meiner Kollegen hat direkt danach eine Festanstellung bekommen.

Habt ihr damit gerechnet?

Uns wurde schon gesagt, dass wir alle etwas finden würden – zu Recht. Es ist nicht mehr so, dass man damit rechnen kann, sofort eine Festanstellung zubekommen und dort bis zur Rente verharrt. Aber gute Schreiber werden nach wie vor gebraucht und die Erfahrung nach dem ersten Jahr Selbstständigkeit hat gezeigt: es gibt mehr Angebote, als wir bearbeiten können.

Ihr seid eine Journalistengemeinschaft, wie kann man sich das vorstellen?

Wir sind eine GbR. Das heißt „Kill Your Darlings“ tritt, auch aus steuerrechtlichen Gründen, weder als Auftraggeber noch als Auftragnehmer auf. Das ist eine wichtiger Punkt, denn er hat rechtliche Auswirkungen. Im Prinzip sind wir ein loser Zusammenschluss, der als Kernteam funktioniert, aber jeder schreibt seine eigenen Rechnungen.

NEON, GEO, Spiegel – ihr habt von größeren Redaktionen Aufträge bekommen. Ist das jetzt gang und gäbe, dass auch im Journalismus outgesourct wird?

Es scheint der Fall zu sein. Jemand, der uns einen Auftrag gibt, trifft auf eine Gemeinschaft, die zusammen als Gehirn funktioniert. Er spart aber natürlich auch Sozialversicherungskosten und man kann schnell auf Leute zugreifen, auch wenn die Lage finanziell angespannt ist. Scheinselbstständigkeiten sind in vielen Verlagen ein heikles Thema. Man muss es aber auch nicht nur negativ betrachten.

Das heißt, ihr arbeitet nicht gegen die festen Redakteursstellen, da die Medienhäuser wissen, sie könnten euch auch kurzfristig akquirieren?

Das würde ich nicht behaupten. Zeit, Spiegel oder Stern – das sind eigentlich keine Medien, die regelmäßig Reportagen an Journalistenbüros vergeben – noch nicht zumindest. Sie haben ihre festen Schreiber, darunter auch Kontakte zu einzelnen von uns. Es ist aber nicht so, dass ständig darauf zurückgegriffen wird. Ich glaube, das ist etwas, das sich erst entwickeln wird, da es ein neues Arbeiten, eine neue Art der Auftragvergebens ist.


Was macht Kill Your Darlings aus?

Ein Vorteil von „KYD“ ist, dass wir alle verschiedene Expertisen haben und damit unterschiedliche Aufträge annehmen können. Es wäre natürlich schön, wenn sich über die Zeit auch Expertenteams herausbilden, die sich total spezialisieren – zum Beispiel auf digitale Projekte. Die Journalisten von „Correktiv“ zum Beispiel konzentrieren sich auf investigative Recherche, also die aufwendigste Form des Journalismus. Sie haben den Sprung ins kalte Wasser gemacht. Als Verlagsredaktion würde ich es begrüßen, auf solche Pools zurückgreifen zu können.

Wie sieht deine Expertise aus?

Politische Themen waren und sind für mich immer spannend. So altbacken das klingen mag, ich fand den Deutschlandfunk mit seinen Hintergrundstücken immer interessant und wichtig. Ich arbeite beim Pressekompass daran, politische Formate spannender zu gestalten – auch in digitalen Zeiten.

Euer Spruch ist: „Guter Journalismus muss wehtun.“ Was sagst du dann zu anderen Gemeinschaften wie „Krautreporter“ mit ähnlicher Motivation?

Ich finde es gefährlich, wenn man verallgemeinernd auftritt und sagt: der Journalismus, den es gibt, der ist scheiße. Sich hinzustellen und zu sagen, „Wir machen jetzt alles besser“, kann arrogant wirken. Aber es ist auch verständlich und legitim, die Newsgetriebenheit oder verkrustete Strukturen zu kritisieren. Denn am Ende muss es darum gehen, ausführliche Recherche zu ermöglichen und ausgeruht den Dingen auf den Grund zu gehen.

Aber euer Ansatz ist der gleiche?

Wir vertreten total, dass Journalismus etwas wert ein muss. Aber wir kennen die Realität. Die Verlage haben durch sinkende Auflagen ein Einnahmeproblem. Ich sehe sie da aber auch in der Pflicht, neue Konzepte zu entwickeln und zwar gemeinsam mit Nachwuchsjournalisten. Hier hilft Kreativität, denn allem Anschein nach sind die Verlage zu schwerfällig oder haben bisher nicht die Ideen gehabt. Aber es entwickelt sich. Es entstehen immer mehr Paywall-Modelle. Das kann man gut oder schlecht finden, aber es bewegt sich etwas. Es ist gut, wenn man bei dem Spiel mitmacht und sich zusammen überlegt, wie man es besser machen kann. Ich verteidige die Verlage nicht, aber wir sitzen im gleichen Boot. Und man kann ihnen nicht unterstellen, dass es ihr generelles Ziel ist, Journalisten schlecht zu bezahlen. Sie könnten aber an Vorstandsgehältern sparen.


Wo wir bei m Thema Ideen sind – ihr schreibt ja nicht nur, sondern konzipiert Apps oder arbeitet als VJs. Woher kommt das?

Neben den negativen Entwicklungen haben wir gleichzeitig mitbekommen, wie viel zum Beispiel bei „Gruner+Jahr“ ausprobiert wird. Es gibt gleichzeitig zur Krisenstimmung eine Aufbruchstimmung, die momentan zwar mal wieder getrübt ist, aber alle haben verstanden, dass man Ideen entwickeln muss. Man kann nicht stehen bleiben. Das ist gerade eine spannende Zeit. Ständig ploppen neue Darstellungsformen und Verknüpfungen im Internet auf. Das ist nichts, was wir nur aus der Schule heraus entwickelt haben, auch wenn vor zwei Jahren manche von uns noch kein Smartphone oder einen Twitteraccount hatten – man wächst mit.

Siehst du dich noch als Journalist, wenn die Aufgaben heute ganz anders aussehen und viel Zeit auf Konzeption, Videoschnitt oder Programmierung verwendet wird?

Es geht darum, dass man bei dem, was man tut, journalistisch arbeitet. Journalist ist von vornherein kein geschützter Begriff, man ist als Redakteur oder Reporter journalistisch tätig. Heute ist es aber zum Beispiel notwendig, sich Coderqualitäten anzueignen oder sich mit Bewegtbild auszukennen. Wenn ich als Journalist arbeite, musste ich konzeptionell denken: Wie baue ich meine Geschichte auf? Wie kann ich ein eigenes Format entwickeln? Wie kann ich eine eigene Zeitung gründen? Das geht heute alles relativ einfach. Das Schöne daran ist, dass man sich mehr orientieren kann, an dem, was einem Spaß macht. Bei mir ist es die Konzeptentwicklung – auch wenn ich das nie gedacht hätte. Ich dachte immer, ich will nur schreiben. Deshalb bin ich trotzdem Journalist, aber ich habe Zusatzqualifikationen, die wichtig sind. Es geht beispielsweise darum, dass man im Kopf behält: Es gibt einen Ethos und Kriterien, die das oberste Ziel in einer Demokratie sein müssen – wie die Meinungsfreiheit und dass man bei der Arbeit bestimmte Standards einhält, gründlich recherchiert und sich eine zweite Quelle einholt.

Qualifikationen sind klar ein Vorteil, doch wenn man alteingesessenen Print-Redakteuren zu einer Geschichte auch gleich die Bilder aus eigener Hand anbietet, wird dies oft nicht in gleichem Maße honoriert.

Das gibt es natürlich auch. Was ich hingehen schlimm finde, ist, wenn man an einen Journalisten, dessen Hauptjob es ist, zu recherchieren, die Anforderung stellt, er müsse Bilder, Videos und Twitter ebenso bedienen können. Ich glaube das funktioniert nicht – vielleicht kann man alle diese Felder blendend am Ende einer Berufslaufbahn beherrschen. Aber wie oft bewundert man ein gutes Foto und derjenige hat einfach seine Ausbildung und das ist sein Spezialgebiet. Ich maße mir das auch nicht an. Qualität ist wichtig und damit auch, Experte in seinem jeweiligen Bereich zu sein. Es ist wichtig, seine Expertise zu haben und trotzdem ein gesteigertes Verständnis für die anderen Bereiche.

Ihr haltet euch an den journalistischen Kodex. Nehmt ihr dann auch Texterjobs an?

„Kill Your Darlings“ ist als Institution eine Journalistengemeinschaft. In deren Namen machen wir nur Journalismus. Natürlich bekommen wir auch PR-Anfragen, aber da ziehen wir klare Grenzen. Wir würden im Namen von „KYD“ keine Broschüre für eine Firma texten, aber im Einzelfall muss jeder für sich selbst entscheiden, welche Jobs er annimmt. Ich habe auch schon für das „Hamburg Magazin“ geschrieben. Dafür habe ich mich aber auch verpflichtet, zum Beispiel während dieser Zeit nicht über Hamburg-Themen zu schreiben.

Wer hält „Kill Your Darlings“ zusammen, wenn ihr alle in verschiedenen Städten seid?

Wir haben regelmäßige Treffen, mindestens einmal pro Jahr. Dann gibt es noch den CvD-Dienst, der uns per Mail auf dem Laufenden hält, so verteilen wir übrigens auch die Aufträge. Aber viele von uns treffen sich auch privat.

Du hast vorhin anklingen lassen, dass ihr gar nicht alle Aufträge annehmen könnt, die ihr bekommt. Wie sieht die Jahresbilanz aus?

Alle schöpfen ein gewisses Pensum aus – wir arbeiten auch nicht alle zu 100% frei – aber für unsere Kapazitäten ist die Auftragslage hoch.

War das von Anfang an so?

Das hat relativ schnell begonnen, da jeder seine Kontakte hat oder Leute kamen auf uns zu. Ein Rädchen greift ins andere.


Kannst du Nachwuchsjournalisten dazu raten, sich zusammen zu tun?

Das ist eine Typfrage. Man muss auf sich selbst hören, ob man so zuversichtlich ist, den Stress und Existenzdruck auszuhalten. Aber wenn man thematisch einen Schwerpunkt hat und die Chemie stimmt, lohnt es sich auf jeden Fall. Man profitiert doch oft durch sein Netzwerk und kommt zu Jobs. Ich könnte mir nicht vorstellen, ohne jegliche Kollegen, ohne Journalistengemeinschaft zu arbeiten. Anderseits wäre ein enges Korsett auch nichts für mich.

Wenn man als Freier arbeitet, muss man aber auch an sich denken.

Das bleibt nie aus. Genauso wie die Nannen-Schule ein Eintrittstor war, sind klassische Medien oder ausgefallene Projekte sicher auch ganz gut. Ein paar Labels sind immer noch notwendig, da muss man sich keine Illusion machen. Man wird mit anderen Augen gelesen, wenn es vertrauenswürdige Punkte gibt, die für Qualität stehen. Es kann aber passieren, dass das Label einiges vorwegnimmt im negativen Sinn. „Kill Your Darlings“ kann uns schon Türen öffnen, aber es bleibt nicht aus, dass du als Person überzeugen musst. Da hilft auch eine eigene Marke, eine Expertise.

Und wann gab es auch mal Streit oder Uneinigkeit?

Man kann schon mal eine Stunde über Visitenkarten diskutieren. Das würde ich aber nicht als Streit bezeichnen.

Ist man dann nicht Konkurrenz untereinander?

In allen Fällen überwiegt bei uns der Stolz und dass man sich für den anderen freut. Man will natürlich auch Erfolg haben, aber der Beruf ist so individuell, da bleibt Neid eher gering. Konkurrenz entsteht da eher aus der Distanz.

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