Der Werdegang des visuellen Tausendsassas Susanne Steinmassl (29) liest sich wie ein Wunschprogramm für Kreativschaffende: aktuell studiert sie Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen, hat einen Bachelor in Kunst und Multimedia sowie einen Magister in Literaturwissenschaft, Politik und Philosophie abgeschlossen. Sie ist als Onlineredakteurin beim „Kino der Kunst“ tätig, kreirt Live Visuals für Clubs wie das Mila oder Bands wie Aloa Input und das alles scheinbar nur nebenher: ihr eigentliches Faible und künstlerisches Steckenpferd ist der Film. Die Süddeutsche Zeitung schrieb 2012 über ihren 30 Minuten langen Kurzfilm „Manchmal hört es so auf, wie es begonnen hat“, dass er sich den Konventionen des filmischen Erzählens verschließe. Susanne experimentiert mit den Grenzen des Rezipienten, auch in ihrem feinfühligen Dokumentarfilm AN TON über den Musiker Anton Kaun.
Derzeit ist der organisatorische Zenit für das intermediale Kunst- und Subkulturfestival Panama Plus Panama Plus erreicht, das am 21. November 2014 in der Münchner Muffathalle stattfindet. Als Teil des Kernteams ist Susanne maßgeblich für die Art Direktion verantwortlich und kuratiert das Kurzfilmkino.
Zugegeben, es ist dieser Tage ein recht schwieriges Unterfangen, einen Eintrag im Terminkalender des kreativen Wirbelwinds zu erhaschen – doch mithilfe von Flammkuchen gelingt es schlussendlich, Susanne auf mein Sofa zu lotsen.
Drei Studiengänge, davon ein abgeschlossener Magister und ein Bachelor, jetzt die HFF. Dann noch die vielen verschiedenen Projekte – von Dokumentarfilm zum Musikvideo über Grafik und Veranstaltungen wie das Panama Plus. Wie schaffst du das?
Stressig ist das schon. Manchmal wundere ich mich selbst, aber am Ende fügt sich doch alles. Ich versuche oft, weniger zu machen, aber auf einmal sind da wieder viele schöne Projekte, und die abzusagen, bring ich meistens nicht übers Herz. Ob es sich dabei um einen Dokumentarfilm oder eine Grafik handelt, ist erst Mal irrelevant, da es für mich darum geht, eine Idee, etwas Abstraktes oder ein Gefühl in etwas Konkretes zu übertragen. Einen Unterschied zwischen Dokumentarfilm und Fiktionalen Film zu machen finde ich unnötig, es geht darum die passende Ausdrucksform für ein bestimmtes Thema zu finden. Das heißt Passion für jedes einzelne Projekt ist der Schlüssel. Aber ja, insgesamt führt das tendenziell dazu, dass ich zu wenig Schlaf und Freizeit habe. Aber er Begriff Freizeit nervt mich sowieso.
Literaturwissenschaft, Politik und Philosophie, Kunst und Multimedia – kannst du von diesen Studiengängen als Filmemacherin und Kuratorin profitieren?
Ich profitiere permanent, vor allem von den Geisteswissenschaften. Bei meinem Verständnis von Film, braucht man ein großes Wissen von der Welt, um überhaupt Filme machen zu können. In der Kultur- und Geistesgeschichte liegen unglaubliche Schätze, die unser Denken früher und heute beeinflussen, und das Wissen über diese Schätze beeinflusst das eigene Schaffen und gibt einem ein anderes Gespür für kulturelle und gesellschaftliche Zusammenhänge und das sehe ich als maßgeblich an, um etwas Größeres im Kleineren transportieren zu können.
Du machst nicht nur Film, du fotografierst auch. Welche Rolle spielt für dich die Fotografie?
Fotografieren entspannt mich. Die letzten Fotoserien habe ich mit der Sängerin von Soki Green und der Wiener Performance-Künstlerin Julia Riederer gemacht – letztere waren sehr konzeptionell. Im Gegensatz zum Film ist fotografieren sehr direkt und intim. Man zieht zu zweit los und lässt sich treiben, mit einem visuellen Konzept im Hinterkopf und auf der Suche nach Momenten. Diese Spontanität vermisse ich manchmal beim Filme machen. Die Neugierde für Neues und Anderes ist jedoch beiden Bereichen gleich.
Zum Titel „Panama Plus“: was hat der mittelamerikanische Staat mit einem eintägigen Musik- und Filmfestival zu tun? Schwingt da doch eine Sehnsucht nach Urlaub mit, von den vielen Projekten?
(Lacht) Nein, überhaupt nicht! Flo (Kreier, Aloa Input / Angela Aux; Anm. d. Red.) hat bei der Gründung den Namen aufgrund der Janosch-Geschichte „Oh, wie schön ist Panama!“ gewählt – „Panama Plus“ stellt sozusagen die Utopie eines Ortes dar, an dem man Sachen ausprobiert und weiterdenkt, das war der Ursprungsgedanke. Weil wir auf keine Location festgelegt sind, schauen wir jedes Mal aufs Neue, was zu uns in dem Jahr passen kann. Angefangen hat es damals im Feierwerk, dort hat Flo die Idee entwickelt. Danach waren wir in der Glockenbachwerkstatt, was für uns absolut ideal war. Es gab dort damals keine strikten Regeln, weshalb wir in der Gestaltung sehr frei waren und kaum Einschränkungen hatten – das war also perfekt! Letztendlich wird für den Tag des Festivals ein eigener Kosmos geschaffen, mittlerweile bereits zum achten Mal seit 2007.
Beim Panama Plus bist du Gastgeberin und trittst daher selbst als Künstlerin und Filmemacherin in den Hintergrund. Fehlt es dir nicht, deine eigene Videokunst zu integrieren?
Die vergangenen Jahre gab es mehr Gelegenheit selbst teilzunehmen. Flo ist mit seinen Bands aufgetreten, ich habe auch meine Filme gezeigt. Da waren wir also auch als aktive Künstler immer präsent. Aber weil sich das Panama Plus dieses Jahr sehr vergrößert hat, ist es nicht möglich, selbst noch schnell zwischendurch auf die Bühne zu springen. Die Kuration der Ausstellungen und Performances haben wir dieses Jahr an die AABER-Crew um Max Heitsch abgegeben, da sie absolute Experten in dem Bereich sind. So konnte ich mich gemeinsam mit Flo auf die Hauptorganisation einerseits und andererseits auf die Art Direktion und das Film-Programm konzentrieren. Sich da als Künstler zurückzunehmen ist kein Problem, im Gegenteil. Der Prozess der KünstlerInnenfindung, zu sehen was es gerade für Perlen gibt und was lokal in Sachen Film passiert, das war sehr spannend! Durch die Kollektivstruktur des Panamas ergeben sich über das Festivals hinaus Freundschaften, die am Ende oft wieder in neue spannende Projekte münden. So gesehen ist die Funktion als Gastgeberin eine sehr bereichernde. Da Flo und ich auch die Seite der KünstlerInnen kennen, wissen wir zudem was sich die Kunst– und Musikszene wünscht und vorstellt.
Das Panama Plus ist gewissermaßen nur ein einziger Abend im Leben eines Musikers, Designers, oder Künstlers. Mich wundert immer wieder die unfassbare Energie, die sie investieren. Welche Motivation siehst du für die teilnehmenden Künstler beim Panama Plus?
Den Gedanken der Kurzlebigkeit finde ich schön und befreiend, obwohl das im totalem Kontrast zu der Arbeit mit Film darstellt, die ein langer Prozess ist hin zu einem Produkt, das quasi für die Ewigkeit geschaffen wird. Auch wenn das Panama Plus eine sehr lange Vorlaufzeit hat, in der man an tausend Kleinigkeiten denken muss, und sich manchmal fragt, wozu man sich so viel Stress zumutet, freue ich mich wahnsinnig darauf, am Freitag früh alles aufzubauen, und am Samstag wieder abzureißen – dazwischen sind nur 24 Stunden. Es ist, ähnlich wie beim Radio oder bei Live-Musik, ein Augenblick, den man nicht festhalten, sondern nur genießen und in dem Moment – oder auch erst viel später – begreifen kann.
Unsere Gesellschaft ist mittlerweile medial auf Kurzlebigkeit gepolt. Als Künstler bist du natürlich gewissermaßen abhängig von einer langfristigen Resonanz deines Publikums. Wie schafft ihr die Rückkehr von der kurzweiligen Utopie, von der man ja weiß, dass sie nicht den realen Umständen entspricht?
Die Eindrücke des Abends sollen sich nicht verflüchtigen – das Panama Plus ist kein Rave, bei dem man alles um sich herum vergisst. Man geht als Besucher im kollektiven Bewusstseinsstrom verloren und findet sich da immer wieder – und andere auch. Dazu auch der Anspruch, als Plattform zu funktionieren und Verbindungen zu schaffen. Input und Content, quasi. Wir wollen die Besucher auch bewusst überfordern, ihnen gleichzeitig Geschichten, Musik und Bilder liefern. Diese Reizüberflutung gehört mit zum Konzept.
Stichwort Reizüberflutung und Überforderung. Kannst du eine Strategie empfehlen, wie man trotzdem nachhaltig etwas als Besucher für sich mit nimmt?
Es gibt auch positive Formen von Überforderung, sie kann zum Beispiel dazu führen, dass das Unterbewusstsein die Kontrolle übernimmt. Meine Strategieempfehlung: einfach aufhören alles verstehen zu wollen und sich treiben lassen, um zu sehen wo man am Ende landet.
Bei Janosch kommen Tiger und Bär exakt am selben Ort heraus, an dem sie aufgebrochen sind. Natürlich kann Panama Plus diesen einen Abend lang die Utopie zelebrieren, wie eine Reise zu sein, trotzdem kommt man am Ende wieder in München heraus und bei dem Ganzen bleibt für die Künstler der Aufwand ja trotzdem bestehen.
Es ist uns wichtig mit Leuten zusammenzuarbeiten, die wir selbst schätzen und die wiederum uns schätzen. Man braucht eine gewisse Vertrautheit und Sympathie füreinander, damit man so ein großes Subkultur Festival durchziehen kann. Es ist ja auch ein totales Himmelfahrtskommando: das Muffatwerk platzt aus allen Nähten und wir können keine Mondgagen zahlen. Wenn die Künstler nicht Teil des Ganzen sein wollen, macht es für beide Seiten keinen Sinn. Darum haben wir auch nicht die klassischen Headliner, sondern oft auch Projekte die zwar sehr gut, aber noch eher unbekannt sind. Außer Mirko Borsche vielleicht.
Siehst du dich persönlich mittlerweile eher als Veranstalter? Oder bist du nach wie vor ein filmischer Protagonist?
Panama macht wirklich Spaß und ist sehr inspirierend, aber am Ende will ich Filme machen. Seit zehn Jahren verfolge ich das. Aber auch dafür ist das Panama Plus eine Bereicherung, und wenn das nur heißt, wie gestern Nachmittag mit Klaus Lemke durch Schwabing zu tigern. Diese Art von Resonanz und Kontakt zu erfahrenen Filmemachern oder Künstlern, die die Idee von Panama unterstützen, ist sehr bereichernd!
Steht bereits fest, wie du München in deine Pläne miteinbeziehen willst, weil du momentan doch sehr hier verwachsen bist?
Der Plan ist auf jeden Fall, München irgendwann zu verlassen, so gern ich es auch hier mag, das habe ich vor allem während der letzten Reisen nach Afrika gemerkt. Ich reise gerne und war bereits auf jedem Kontinent. (Sie lacht, denn hätte stattdessen beinahe „Planeten“ gesagt. Man kann es ihr nicht verdenken – just an diesem Tag glückte die Landung der Rosetta-Mission.) Natürlich bin ich hier momentan sehr zuhause – meine Arbeit und viele gute Freunde sind hier. Doch der Input einer neuen Stadt würde mir sicher gut tun. Nicht, dass es mir hier an Input fehlen würde, aber ich hätte Lust, einen Ort wieder komplett neu für mich zu entdecken.
Klar, es ist ja auch vom Input her ein himmelweiter Unterschied, ob du eine Stadt kurz besuchst, oder meinetwegen zwei Wochen nach Afrika reist, im Vergleich zu einem Umzug, bei dem du dir eine temporäre Heimat aufbaust.
Richtig! Insofern kann man sagen, dass ich mit München nicht verheiratet bin. (Lacht)
Tja, vielleicht dann ja doch das echte Panama…
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Zu Susanne Steinmassls Portfolio
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Eindrücke hinter die Kulissen von Dreharbeiten: