Wlada Kolosowa: „Kaviarmüsli.“

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Ein halbes Leben hat Wlada Kolosowa in Deutschland verbracht, ein halbes in Russland. Geboren in St. Petersburg, zog sie mit 12 Jahren mit ihrer Mutter nach Ulm. Ins Schreibgeschäft kam sie klassisch über die Schülerzeitung und Lokaljournalismus. Heute ist sie weltweit unterwegs und sucht dort ihre Geschichten. Nach ihrem Studium an der Freien Universität Berlin mit einem Abschluss in Publizistik führte sie ihr Weg nach New York. Die freie Journalistin studiert seit September letzten Jahres Creative Writing. Im Juni war es soweit – ein Kindheitstraum ging für sie in Erfüllung: Wladas erster Roman „Russland to go“ wurde veröffentlicht. Ihre Reise-Erfahrungen teilte sie bereits als Kolumne auf SPIEGEL ONLINE und ihrem digitalen Reisetagebuch Kaviarmüsli mit, während sie noch unterwegs war. Im Dezember 2012 erschien eine weitere Geschichte: In dem Buch „Mama, das hast du schon fünfmal erzählt!“ spricht sie über das Älterwerden ihrer Eltern.

Im verschneiten Berlin treffe ich Wlada Kolosowa. Sie hat mich zu einer Tasse Kaffe und russischer Schokolade eingeladen und empfängt mich in einer gemütlich eingerichteten Altbau-Wohnung, mit großen hellen Fenstern. Wir sitzen an einem alten Tisch aus dunklem Holz und blätteren in ihrem Roman und ihrer Vergangenheit.

Ein Gespräch mit Wlada Kolosowa über Identität, Reisen und den Journalismus.

Wlada wie bist du zum Schreiben gekommen?

Als ich klein war, waren Bücher mein Lieblingsspielzeug. Lesen war mein Wunschberuf. Aber etwa mit 10 Jahren dämmerte es mir, dass man damit wohl kein Geld machen kann. Dann beschloss ich Geschichten zu schreiben. Mit 14 Jahren leuchtete mir ein, dass sich damit wohl auch kein Geld verdienen lässt. Mein Superplan war es daraufhin Psychologie zu studieren und heimlich an meinem Roman zu tüfteln, den ich dann mit 50 Jahren veröffentlichen wollte. Mit 16 Jahren bin ich umgezogen und schrieb dann nicht mehr für die Schublade, sondern für die Schülerzeitung. Dann machte ich ein Praktikum bei der Lokalzeitung. Für meinen ersten Artikel habe ich damals 6,50 Euro bekommen, der in einen Eisbecher investiert wurde. Aber es war schon toll. Ich konnte nervig neugierig sein und habe dafür auch noch Geld bekommen. 

Du hast dein erstes Buch mit 25 Jahren veröffentlicht, ging damit ein Traum in Erfüllung?

Eigentlich dachte ich, dass ich bei meinem ersten Buch wesentlich älter und schlauer sein werde. Ich habe nie für möglich gehalten, dass es so schnell passiert. Aber natürlich bin ich stolz auf Russland to go. Es ist toll, Geld damit zu verdienen, was einem Spaß macht. Aber manchmal frage ich mich, ob ich noch was anderes mit meinen Händen machen kann, außer Schreiben. Dann zwinge ich mich einen Kuchen zu backen. Und bin meistens sehr erleichtert, wenn ich zurück an meine Tastatur kann. 

Russland to go

Woher hattest du die Idee für das Buch?

Ich hatte meine Wurzeln zu Russland sehr vernachlässigt. Ich war 12 Jahre alt, als ich nach Deutschland kam. Vorpubertätshölle. Mit 12 Jahren will man ja immer so sein, wie alle Anderen auch: nicht russisch, sondern deutsch. Ich habe mir Karteikärtchen geschrieben über Themen, worüber die deutschen Jugendlichen so reden. Ich habe mir „Wetten, dass…?“ angeguckt und „Wickie und die Starken Männer“. Ich wollte die russische Kultur gar nicht haben. Lieber wollte ich „Nicole Müller“ als Wlada Kolosowa heißen. Aber als ich dann zur Uni gegangen bin, hatte es Vorteile einen russischen Pass zu haben, aus einem anderen Kulturkreis zukommen. Es war angesagt anders zu sein. Aber da war es zu spät: Ich habe den Anschluss an die alte Kultur verloren, hatte keine Ahnung was meine russischen Gleichaltrigen hören, was sie lesen und worüber sie sich streiten. Mir kam dann die Idee mit dem Rucksack in mein Heimatland zu reisen. Aber meine deutschen Freunde waren davon viel begeisterter als meine russische Familie. Die hielten das Ganze für eine absolute Schnapsidee. Mein Vater bot mir sogar an, eine Reise durch Südostasien zu bezahlen, um mich davon abzubringen. Wie man sieht, habe ich mich aber nicht bestechen lassen.

Was erfährt man in Russland to go – Eine ungeübte Russin auf Reisen?

Es ist die Geschichte einer Reise: Einer Reise durch Russland und einer Reise zu meinen Wurzeln. Meine Familie hatte teilweise recht: Die Russlandreise war ein Sprung ins kalte Wasser. Ich habe zwar einen russischen Namen und spreche die Sprache, mein Kopf war aber voller recht deutscher Russ-Romatik über transsibirische Eisenbahn und die russische Seele. Davon, wie der Alltag funktioniert, hatte ich keine Ahnung. Da wurde es schon zum Abenteuer, ein Flugzeugticket zu kaufen oder auf ein Festival zu fahren.

Du studierst jetzt Kreatives Schreiben. Willst du Buchautorin werden oder willst du beim Journalismus bleiben?

Ein Mix wäre toll. Obwohl Journalisten und Autoren beide schreiben, haben sie ganz unterschiedliche Pole. Die Einen haben ständig mit Menschen zu tun und die Anderen müssen niemanden treffen, wenn sie keine Lust darauf haben. Ich bin irgendwie beides. Ich sehe sehr gerne Menschen und genieße auch dieses Privileg sich Gesprächspartner aussuchen zu können, an die ich normalerweise nie ran käme. Anderseits ist es manchmal auch großartig einen Tag lang den löchrigen Gammelpullover nicht verlassen zu müssen. Aber nachdem man mittags mal wieder allein an der Tatstatur picknickt, sehne ich mich schon nach einer Redaktion und Kollegen. 

Du suchst du dir deine Geschichten auf der Straße…?

…wenn sie mich dort treffen, dann schreibe ich sie gerne auf. Das Gute an meinem Beruf ist aber auch, dass man gezielt suchen kann, was einen interessiert. Sehr viel Spaß hat mir eine Serie für SPIEGEL ONLINE gemacht: Erklär mir die Liebe. Ich habe mich mit den unterschiedlichsten Menschen über die Liebe unterhalten: etwa mit einem Gerontologen, einem Betreiber einer Fremdgeherplattform und einem Biopsychologen. Ich bin einfach gerne unterwegs. Geschichten, die man vom Computer aus schreibt, werden schnell sehr öde.

Journalistin – Beruf oder Berufung?

Es ist ein Beruf. Aber einer, den ich wahnsinnig gerne mache. Nachdem alle Bücher, die ich lesen wollte gelesen sind, und alles Bier, was ich trinken wollte, getrunken ist, würde ich mich vermutlich hinsetzen und schreiben. Wenn du dann später gehst, würde ich vielleicht lieber einen Schneemann bauen oder ein gutes Buch lesen als meinen Computer anzumachen und weiter zu arbeiten. Aber mir fiele einfach nichts ein, was ich auf Dauer besser machen könnte.

Bist du gerade ausgelastet mit deinem Studium, dem vielen Reisen und deiner journalistischen Tätigkeit?

Arbeitstechnisch bin ich ausgelastet. Aber mir fehlt dringend ein Hobby. Ich habe früher eine Kolumne für den Tagesspiegel gemacht, da habe ich einmal die Woche ein neues Hobby ausprobiert, ein Jahr lang. Das war cool, weil ich jede Woche etwas Neues gemacht habe: Fische seziert, von Hochhäusern gehüpft oder getestet, wie sich ein Kampf ohne Regeln anfühlt. Jetzt bin ich auf der Suche, was ich so anstellen könnte. Ich versuche gerade so halbherzig zu nähen. Und ich hätte wahnsinnig gerne einen Hund.

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Wladas Website

Wladas Reiseblog Kaviarmüsli

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There are 2 comments

  1. FALSCH

    Sehr schön und klasse Bilder! Da bekomme ich gleich Lust dieses seltsame wunderbare Land mal wieder zu besuchen. Sicherlich werde ich mir jetzt des Öfteren mal Kaviarmüsli zuführen und mir auch einen Hund im Aktiv-Strampler zulegen. С наилучшими пожеланиями!

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