Lili Ruge: „Maßstab ist der Geschmack.“

Lili_Haze©NatalieMayroth

Lili Ruge (25) ist ein echtes Münchner Feierkindl. Es gibt keinen Cool-Kids-Club in München, vom Atomic Café bis zum damaligen Zerwirk, den sie als DJ und Teil unterschiedlicher Veranstalter-Kollektive ausgelassen hätte. Neben ihrem Soziologie Studium an der LMU sind die neuesten Musikbewegungen ihr Ding und das auch über das Auflegen hinaus. Sie moderiert bei M94,5 die Sendungen Bassport und Blogschock, bloggt bei Inside The Haze und stellt beim Zündfunk Musikphänomene, wie Le1F oder Kendrick Lamar vor.

Bei unserem Treffen steht Lili ausnahmsweise nicht hinter einem Mischpult, sondern am Herd. Sie wartet mit ihren französischen Kochkünsten auf: Es gibt Salat mit honig-glasiertem Ziegenkäse und frisch gebackene Fougasse, dazu Rosé Wein. Wie gewohnt hingegen trägt sie den für sie charakteristischen Dutt. Musik hören wir keine, aber dafür sprechen wir darüber.

Ein Interview mit Lili über Bass-Musik.

Lili, fangen wir mit deiner Lieblingsmusik an: Hip Hop?

Hip Hop? Alle denken immer aus irgendeinem Grund, dass ich Hip Hop am liebsten höre. Damals als ich mich bei M94,5 beworben habe, haben die auch schon gesagt. „Hey, ja wir können dich gut brauchen, wir suchen jemand für Hip Hop!“ Ich glaube, das liegt vielleicht an meiner Art, aber richtig erklären kann ich mir das nicht. Wobei ich schon gerne Hip Hop höre, aber nicht ausschließlich. Ich würde nicht sagen, dass ich jeden dahergekommenen Ami-Rap-Auswuchs feiere, der gerade am Start ist. Klar im Moment geht im New School Hip Hop so einiges. Richtig gut finde ich Kendrick Llamar, aber Leute wie Whiz Khalifa? Nein! Und nur Hip Hop? Nein, ich mag auch House sehr. Wenn man es genau nehmen will, höre ich so eine Mischung aus elektronischem Hip Hop, House, Dupstep, Post-Dubstep, Grime und Trap. Ich finde es schwer heute noch zu sagen, ich höre nur diese eine Richtung bzw. lege nur diese eine auf. In einem guten Set wird Genre übergreifend gemixt. Da ist nicht mehr das Genre der Maßstab, sondern der persönliche Geschmack.

Die Genres die du gerne hörst haben eines gemeinsam: viel Bass. Was zeichnet Tracks aus, die in deine Bass Musik Playlist gehören?


Das sind für mich Tracks aus der neuen, elektronischen Musik, die ihre Wurzeln in England hat und komplexere Rhythmen als normaler 4/4 Techno. In eine Bass Musik Playlist müssen Stücke, die mehr sind als nur fröhliche Diskomusik. Das bedeutet mehr Moll und auch Disharmonien sind erlaubt. Es ist Musik, die sich an Dancehall, Drum´n´Base und/oder Two Step orientiert, mit Drums die sich langsam oder schleppender anfühlen – die Tracks können aber trotzdem sehr animieren. Sie sind deeper, man fühlt eine ganz eigene Tiefenschärfe und eine Geschichte, die mitnehmen kann auf eine Reise. Beispiele für Bass Musik sind James Blake, Burial, SBTRKT aber auch Skream und Benga. Auch hier kann aber von einem eigenen Genre nicht die Rede sein, denn es gibt viele genreübergreifende Überschneidungen.


Du moderierst bei M94,5 die Sendung Bassport, in der genau diese Musik vorgestellt und gespielt wird. Wie bist du beim Radiomachen gelandet?


Bei uns zu Hause lief immer Radio, auch am Esstisch. Mein Vater hat oft M94,5 gehört und so bin ich auf den Sender gekommen. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass ich das unbedingt auch einmal machen will. Das war fast wie ein Sog, der von dem Radio ausging und ich wusse: Da will ich auch mal hin. Ich bin dann aber erst über Umwege wieder darauf gekommen, wie sehr mich Radiomachen interessiert. Als ich Tobi, Stefan und Maier kennenlernte, haben wir ab 2008 als Flamingo Gang zusammen aufgelegt und veranstaltet: Im K&K, Atomic Café, Café King, Zerwirk, Elli Disco, Blumenbar und auch im Kong. Wir waren richtig viel unterwegs und haben die Musik und unsere Freundschaft gefeiert. Irgendwann habe ich aber gemerkt, dass mir etwas fehlt, trotz der guten Zeit, die wir hatten. Mein Leben war wie eine einzige, große Party und klar geht es da auch um die Musik, die mir so am Herzen liegt, aber eigentlich geht es vor allem ums Party machen. Irgendwann bin ich aufgewacht und hatte das Bedürfnis, das ganze Club-Ding mehr in Richtung Radio bringen zu wollen, eben einfach was daraus zu machen. Genau zu dem Zeitpunkt war Bewerbungsphase bei M94,5. Ich habe mich dann beworben und ab Anfang 2012 mit Matthias Kammel und Franzi Niesar die Sendung Bassport entwickelt.


Findest du das Radio machen mehr den Geist fordert als Auflegen?

Radio machen fordert mich inhaltlich mehr. Das DJing kommt bei mir aus dem Bauchgefühl heraus. Schreibe ich Moderationen fürs Radio, kann ich mir schon stundenlang Gedanken machen, wie ich mit Worten das ausdrücke, was ich sonst im Gefühl habe. Manchmal kommt es vor, dass ich einen ganzen Tag an den perfekten zwei Minuten Sendezeit feile. Eine gute Sendung erzählt für mich eine Geschichte, der man von Anfang bis Ende zuhören muss und will. In meiner Sendung versuche ich immer mit einer Information aufwarten, die man nur dann weiß, wenn man meine Sendung gehört hat. Das bedeutet natürlich einen enormen Rechercheaufwand. Aber es gibt natürlich auch Mal Sendungen, die nur mit der allernötigsten Recherche und viel Spontanität funktionieren.

Hat dir das ausführliche Feiern und deine Erfahrung beim Auflegen und Veranstalten fürs Radiomachen etwas gebracht?

Doch, das hat es sehr! Wenn man selbst als Dj arbeitet, ist es natürlich auch leichter, mit anderen DJ’s in Kontakt zu kommen und interessante Interviews zu führen – man weiß halt genau, wovon der andere spricht. Ich weiß, um was es im Veranstalterbusiness oder bei der Arbeit als DJ geht. Ich habe auch viele Studio Gäste auf diversen Veranstaltungen kennengelernt und daraufhin eingeladen. Im Gespräch kann ich sie aber tatsächlich noch ein mal auf einer ganz anderen Ebene kennenlernen. Das ist echt interessant! In der Sendung spiele ich auch Musik, die ich gerne auflege oder die ich gerne höre, aber die nicht unbedingt auf der Tanzfläche funktioniert. Am besten sind aber letztendlich die Lieder, die im Radio und im Club funktionieren.

Du machst aber nicht nur Radio, du bloggst auch bei Inside The Haze. Wie passt das in dein Profil?

Ich liebe das Internet! Schon immer wollte ich einen Blog machen, seit ich weiß, dass es möglich ist zu bloggen. Allerdings wollte ich das nicht im Alleingang. Mit den Flamingos ist da leider nichts draus geworden, wir waren da schon mit der Organisation unserer Parties genug beschäftigt. 2011 hat es sich dann bei einem anderen Freundeskreis ergeben, einen Gemeinschaftsblog zu starten. Das hat sich aus der Idee heraus entwickelt einfach Mal etwas anderes zusammen zu unternehmen als immer nur zu feiern. Mit André, Jakub, Marco, Pavel, Jens und Simon haben wir uns ein WordPress-Theme gekauft und ein wenig daran herumgebastelt. Zu der Zeit war ich in Helsinki im Auslandssemester und habe von dort aus Artikel über neue Musik geschrieben. Die Besitzer vom Yip Yab sind über unseren Blog auf uns aufmerksam geworden und haben uns gefragt, ob wir als Team nicht eine Veranstaltungsreihe dort übernehmen wollen. Jetzt machen wir regelmäßig die „Friendship-Partys“ dort. Inzwischen haben bei Haze alle ihre Nische gefunden. Ich mache die Redaktionsleitung vom Blog, die Anderen machen Grafik, Film usw. Mittlerweile gibt es auch eine Internet TV Show: Mach Sie sagen. Jens und ich machen jetzt zusammen auch Bookings für eine Konzertreihe im Yip Yab.

Bookings machst du jetzt also auch noch! Straffes Programm. Was für eine Konzertreihe machen Jens und du im Yip Yab?

Vor Kurzem haben wir als ersten Feldversuch für unsere neue Reihe den UK Newcomer Koreless geholt. In Zukunft wollen wir ein Mal im Monat elektronische Acts nach München holen, die so ohne Weiteres nicht nach Deutschland gekommen wären. Vielleicht allerhöchstens nach Berlin. Wir wollen den Münchnern Musik zeigen, die sie noch nicht in jedem Club hören. Die Konzertreihe wird „On the Drop“ heißen und startet offiziell am 11. April 2013 mit Lapalux im Yip Yab.

Foto: Natalie Mayroth
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Lili bei M94,5: Bassport/Inside the Haze/Zündfunk
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Im Oktober 2012 hat Lili außerdem den Rapper Le1F für Selbstdarstellungssucht TV interviewt.

 

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