Peter Kaaden: „Ich habe kein Problem mit Nacktheit.“

Angeblitzte blanke Brüste, heruntergelassene Hosen dazwischen ein Junge mit blutender Nase. Fast Food und feuchte Küsse. Unzensierte Momentaufnahmen.

Versauen zu viele Pornos den Geschmack? Peter Kaaden, 24, vertritt die konträre Meinung. Für den ausgebildeten Fotografen gehören sie einfach dazu, genau so wie Nacktaufnahmen. In Essen geboren, beginnt er nach seiner Ausbildung als Werbefotograf ein Fotodesign-Studium in Dortmund. Sein Stil entwickelt sich weiter, er distanziert sich von Werbeaufträgen. An manchen Tagen hat der Rotschopf mehr als 20 unbekleidete, schöne Frauen am Stück vor der Linse ohne dass es bei ihm erotische Fantasien auslöst. Er assistierte in New York bei Ryan McGinley und für Ruvan Wijesooriya. Danach verschlägt es ihn nach Berlin. Machmal ist er auch in London. Doch sein Aufenthalt ist nie von langer Dauer. Er zieht mit Musikern um die Häuser oder begleitet sie als Tourfotograf. „Meine nudistischen Freunde sind Schuld an meinen Bildern“, erzählt er mir. Vor seiner erneuten Abreise nach New York lädt er mich in die Kaaden’schen Studios in Neukölln ein und zeigt mir seine Sammlung an analogen Kameraschätzen.

Peter deine ersten Erfahrungen hast du in der Werbefotografie gesammelt.
Ja. Wir haben stundenlang Licht aufgebaut und Autos ausgeleuchtet. Das kann ich alles, aber ich habe da keinen Bock mehr drauf.

Wäre das immer noch dein Weg erst als Assi zu arbeiten und dann zu studieren?
Ich finde Fotografie-Studenten ehrlich gesagt scheiße. Ich gehe ab und zu mal zur Uni, weil ich es ganz witzig finde. Aber ein Fotostudium versaut dich eher, als dass es dich weiterbringt. Viele Leute, die dahin kommen, sagen: „Ich habe ganz gerne eine Kamera in der Hand und ich mag Fotos.“ Von ihren Professoren bekommen sie eingebläut, das jedes Foto ein krasses Konzept braucht. Ich mache Bilder und bin kein Intellektueller. Wenn du also Fotos schön findest, dann bringt es dir was, aber es macht dich nicht zum Fotografen. Entweder hast du es drauf oder nicht.

Und die Lust auf Werbung ist dir nun vergangen?
Es war echt schön, ich habe viel gelernt. Deswegen bin ich auch einigen Leuten ein paar Schritte voraus was zum Beispiel die Professionalität angeht. Das ist wichtig, denn ich verdiene mein Geld mit Shootings für Magazine. Viele, die eine ähnliche Ästhetik wie ich haben, sind im Kopf so, wie ihre Bilder aussehen. Wenn du nur dreckige Scheiße machst, dann denkst du auch nicht wirklich anders. Man muss sich aber trotzdem an Deadlines halten und mit Bildredakteuren kommunizieren können. Durch die Ausbildung war das ein großer Vorteil. Das lernst du im Studium nicht. Da machst du die Sachen, die du geil findest. Du lässt dich von deinem Prof beeinflussen und alles soll einen intellektuellen Hintergrund haben. Bei der Werbefotografie kommt der Kunde an. Er will was haben und das machst du ihm. Wenn ein Magazin ankommt, ist es nicht so viel anders, aber sie wollen meine Ästhetik dahinter. Wenn ich also Tennisplätze fotografieren soll, dann fotografiere ich Tennisplätze. So lange es cool aussieht, muss es für mich keinen abgefahrenen Hintergrund haben.

Wenn ich dich also buche, fotografierst du was ich will?
Ich lasse schon meine eigene Handschrift einfließen. Aber zur Zeit sage ich viele Mode-Shootings ab, weil ich keinen Bock darauf habe. Allerdings lasse ich, wenn ich shoote, schon mal die Idee von dem Magazin einfließen. Ich habe für die Vice mal Mädels auf getuneten Karren fotografiert. Das war die Idee der Redaktion und ich habe versucht das nach mir aussehen zu lassen.

Du fotografierst oft nackig, hat das wirklich mit deinem Umfeld zu tun?
Ich komme aus Essen, ich weiß nicht, wie sich das entwickelt hat… aber ich bin auch ganz schlimm. Ich zieh mich andauernd aus. Wenn ich betrunken bin, bin ich immer nackt im Club, egal wo. Ich habe kein Problem mit Nacktheit. Ich hänge Zuhause immer nackt rum, ich weiß gar nicht warum Leute Zuhause anders rumhängen sollten.

Jetzt bist du aber nicht nackt?
Hallo? Jetzt nicht, nein.

Das war nur ein Scherz.
Im Bezug auf Fotos sehe ich den Unterschied zwischen einem angezogenen und nackten Menschen nicht so ganz. Jeder hat schon einmal Titten gesehen. Also warum diese Aufregung, dieses Wow.

Du sagst die Bilder, die du machst, spiegeln den Inhalt deines Lebens. Das heißt, nicht nur du ziehst dich gerne aus?
Oh, ich habe Freunde, die das sehr gerne machen. (Es klingelt. Martin kommt herein.) Das ist einer dieser Freunde, die das gerne machen: Martin. Sie machen das, weil sie Bock haben. In der Fotografie geht es viel um Nacktheit, um Drogen – auch bei mir auf den Bildern. Ich habe so viele koksende und kiffende Leute abgelichtet. So habe ich eben gelebt. Ich bin jung. Ich war feiern. Dabei habe ich nackte Menschen gesehen und fotografiert.

Und das passt, dass du sie fotografierst und die Bilder von ihnen dann im Netz landen?
Das ist eine Sache des Vertrauens. Ich habe mir nicht mit 16 Jahren vorgenommen, ich fotografiere ab jetzt nackte Menschen, sondern ich war viel feiern. Es ist irgendwie entstanden. Meine Mama würde sagen, ich habe den falschen Freundeskreis gewählt. Aber ich gehe an die Sache professionell heran. Ich habe von jedem einen Modelvertrag.

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Martin und Peter im Juni 2013

Du hattest mit Martin zusammen zwei Ausstellungen?
Es war recht ekelhaft. Leute, die zur Veranstaltung kamen und auf Fotos verlinkt waren, wurden auf Facebook für 30 Tage gesperrt, nur wegen der Bilder im Hintergrund. Aber ich fand´s eigentlich ganz geil. Der Unterschied zwischen Martin und mir ist, dass seine Bilder viel privater sind. Er fotografiert viel im Bett. Das mache ich nicht, habe ich auch noch nie. Ich zeige eine öffentliche zur Schaustellung von schlimmen Dingen.

Das heißt dein nächster Partner muss sich keine Sorgen machen sich nackt auf Vice wieder zu finden?
Das passiert schon. Aber wenn ich mit einem Mädchen schlafe, denke ich mir nicht, dass ich davon unbedingt tausend Fotos machen muss, obwohl ich auf die Bilder von Martin stehe. Wir haben eine völlig andere Herangehensweise, die trotzdem auf ein ähnliches Ergebnis hinaus läuft.

Du wolltest mir noch die Kaaden’schen Studios zeigen!
Das Studio funktioniert echt gut. Ich habe mir ein Podest gebaut das gleichzeitig als Studio-Bühne fungiert. Ein Studio brauche ich nicht oft, deshalb hätte sich ein eigenes nicht gelohnt. Aber wenn ich jetzt eine weiße Wand brauche, habe ich sie.

Schönes Herz-Tattoo hast du übrigens…
Das hat mir ein Freund, Kai gemacht. Das ist mein erstes mit der Hand gestochenes Tattoo. Kai ist übrigens der Typ, der auf allen Bildern von mir nackt ist. An dem Abend, als er mir es gestochen hat, wollte ich eigentlich gar nicht mehr rausgehen, aber es sind dann ungefähr 90% der Bilder von Mittelkind, meinem ersten Buch, entstanden.

Dein erstes Buch?
Fotografen sagen immer Bücher, nicht Hefte. Ich habe es gemacht als ich in New York war. Es war das erste Mal, dass ich mir Gedanken über einen Titel gemacht habe. Der Name ist vom Mittelkind-Syndrom abgeleitet. Sie werden einfach immer ein bisschen vergessen. Das ist genauso mit Essen. Keiner interessiert sich für diese Stadt. Wenn ich in New York auf einer Party bin, gibt es danach tausend Fotos von Bloggern, aber so was gibt es in Essen nicht. Und wenn du dich da ausziehst, bekommt es keiner mit, außer ich fotografiere es.

In deiner Heimatstadt schwingt da die Rohheit mit, die man dem Ruhrgebiet nachsagt?
In Essen gibt es nichts.

Naja, es gibt immerhin die Folkwang dort.
Ja, das schon, aber das sind alles Idioten, die komisch aussehen. Essen ist einfach das Mittelkind Deutschlands.

Auf deinen Bildern hat man den Eindruck, die Kamera existiert für die Protagonisten überhaupt nicht.
Die älteren Sachen, vor allem aus Mittelkind sind krass aus dem Leben gegriffen. In Gold und Silber, das neuer ist, sind immer noch viele Snapshots und Sachen, die ich für Magazine fotografiert habe. Es ist vieles dabei, das ich gemacht habe seitdem ich Geld mit dem Fotografieren verdiene.

Du warst jetzt längere Zeit in New York?
Ich war lange dort von Mitte 2011 bis Januar letzten Jahres. Über einen Freund, der modelt bin ich mit Ryan McGinley in Kontakt gekommen. Wir hatten ihn beide fotografiert. Ryan hat mir angeboten für ihn in New York zu arbeiten. Ich war für ein paar Monate in den USA und bin dann wieder zwei Wochen hier her und woandershin verreist.

Im letzten Sova Magazin waren auch Bilder von dir mit Karley Sciortino. Wie kam es dazu?
Karley ist der normalste Mensch, den ich in New York kennengelernt habe. Nicht so abgehoben wie viele andere Leute dort, auch als Sex-Expertin der Vice. Ich habe sie auf einer Party getroffen, Hallo gesagt und sie dann fotografiert. Das war schon gut porno, was dabei entstanden ist. Ich habe eine Serie mit ihr fotografiert für ein norwegisches Magazin und sonst immer wieder zwischendurch, wenn ich sie gesehen habe.

Was meinst du, macht den Reiz deiner Aktaufnahmen aus?
Ich habe immer noch das Gefühl, dass Nacktaufnahmen schockieren. Ich weiß überhaupt nicht warum. Ich habe die ersten Pornos schon sehr früh gesehen und viel Zeit mit Pornografie in meiner Jugend verbracht. Jeder Junge hat das. Warum sollte man sich mit 15 Jahren etwas anderes angucken? Ich finde es total legitim. Daraus hat sich einfach meine Ästhetik entwickelt. Ich schaue mir aber lieber private Filmchen an und keine gestellten HD-Videos, die mit 12 Unterbrechungen gefilmt werden. Bei Fotos finde ich es auch cooler, wenn du merkst, dass die Situationen real sind und dass sich jemand damit sein Studium finanziert.

Mit der Professionalität wachsen doch auch die arrangierten Shootings?
Die Spontanität geht zum Teil verloren, aber wenn ich jetzt für ein Magazin fotografiere, dann mache ich die ersten zwei Stunden Bilder, danach trinken wir was und irgendwann pegelt es sich ein und dann passieren die interessanten Sachen, die später auf den Magazinseiten zu sehen sind.

Das Prinzip ist also eine enthemmte Atmosphäre?
Das ist wirklich eine Vertrauenssache. Ich fotografiere zum Beispiel nur auf Film und nie digital. Manchmal mache ich Bilder mit dem Handy, aber das ist das Maximale. Wenn ich gebuchte Models fotografieren, schieße ich am Anfang ein paar Bilder ohne einen Film eingelegt zu haben bis sie etwas lockerer werden und sich eingegroovt haben, dann lege ich erst einen Film ein. Am Anfang wollen sie einfach nur hübsch aussehen auf den Fotos, aber das funktioniert für mich einfach nicht.

Irgendwann hat man sich doch von Nacktheit satt gesehen. Wird es nicht irgendwann langweilig?
Total. Dieser Punkt, dass es mich anmacht ist weg. Was mich aber tatsächlich bei einem Shooting anmacht ist, wenn ich weiß, dass die Bilder geil geworden sind. Als ich bei Ryan gearbeitet habe, da haben wir in der Woche echt hundert Menschen nackt fotografiert und das sechs bis sieben Tage die Woche. Im Stundenrhythmus kamen die Leute ins Studio. Irgendwann ist das total egal. Ich kann mir auch vorstellen, dass einen Porno-Regisseur auch nichts mehr so schnell reizt.

Du fotografierst aber trotzdem weiter hin Akt?
Sicher, aber auch viele angezogene Menschen. Der Markt für Aktfotografie wird immer prägnanter. Nackt wird immer wichtiger. Wenn du vier Bilder hast und eines ist ein Akt, dann wird sofort über dieses Bild gesprochen. Anscheinend ist es interessanter, weil noch nie jemand einen nackten Menschen gesehen hat. In der Öffentlichkeit ist es ein Tabu über Pornografie zu reden. In der Kunst ist das anders. Bei Bildern in einem Magazin oder wenn du auf einer Vernissage bist, dann kannst du dich öffentlich darüber austauschen. Ich glaube das ist eine Erleichterung für die Leute, dass sie endlich mal über Titten reden können.

Wie viele Pornos guckst du?
Viele.

Wenn ich jetzt gehe, wird dann der Computer angemacht?
Nein, so krass ist es jetzt auch nicht, aber mein Verlauf ist bestimmt schlimm. Pornos sind bei mir schon sehr allgegenwärtig. Meine Top-Seiten will ich gar nicht wissen.

Reizen dich Pornos überhaupt noch, wenn du selbst so oft nackte Frauen fotografierst?
Das eine ist der Job und das andere ist für mich privat. Leute, die sich per Fantasie einen runterholen, die finde ich faszinierend, denn das kann ich nicht. Dafür reicht meine Fantasie nicht. Aber Mädchen gibt es natürlich auch in meinem Leben.

Kommen und gehen bei dir auch Jungs?
Nein gar nicht. Obwohl 90% meiner männlichen Freunde in Berlin homosexuell sind. Ich persönlich kann mir Sex mit Männern nicht vorstellen, aber ich respektiere das total. Gerade als ich damals nach New York gezogen bin, war ich jeden Tag in Schwulen-Clubs. Dort habe ich angefangen im Darkroom zu fotografieren. Ich habe gefragt, ob ich mir Fotos für Zuhause machen kann und das war in Ordnung.

Wann hast du eigentlich mit dem Fotografieren angefangen?
Ich bin da mehr oder weniger reingewachsen. Meine Mutter hat als Fashion-Stylistin gearbeitet und ich bin nach der Schule immer in irgendwelchen Fotostudios gewesen. Mit 10 Jahren hat sie mir eine Yashica t3 geschenkt. Das habe ich damals noch nicht so richtig wahrgenommen. Ich habe letztens erst alte Fotos gefunden.

Du warst zunächst in der Werbefotografie tätig, wie hat sich dann deine spezifische Optik entwickelt?
Wenn ich fotografiere, blitzte ich gern an. Das hat sich daraus ergeben, dass ich oft nachts unterwegs war und dort Bilder gemacht habe, wo du eben nur eine kleine Kamera wie die Yashica mitnimmst. Dir bleibt im Dunkeln nichts anderes übrig als zu blitzen. Tagsüber ist meistens nichts passiert. Das ist von der Ästhetik bei mir geblieben.

Ryan McGinley fotografiert auch sehr viel nackt. Hast du dich von ihm inspirier lassen?
Ryan ist nach wie vor ein großes Vorbild, aber der Zauber ist leider weg. Wenn du so groß geworden bist, läuft leider auch manches falsch. Seine Ästhetik zielt mittlerweile auf das ab, was Leute kaufen. Sein Studio, indem 18 Leute arbeiten, das muss auch bezahlt werden. Ich wohne zwar gut, aber immer noch in einer WG, deshalb kann ich zurzeit noch das machen, worauf ich Bock habe.

Gibt es bei dir Tabus?
Ich habe noch keines gefunden. Es gibt Sachen, die mich anwidern, zum Beispiel Scheiße. Es ist etwas, das ich einfach nicht fotografiere. Ein Freund von mir hat eine sehr tolle und respektvolle Serie mit behinderten Menschen fotografiert. Das wäre für mich in dem Sinn ein Tabu, weil ich das nicht neben meinen Arbeiten zeigen könnte. Generelle Tabus interessieren mich aber nicht.

Was sagen deine Eltern zu deiner Arbeit?
Sie haben sich damit abgefunden und sehen, dass ich damit meine Miete bezahle. Das respektieren sie, aber ich merke sie verstehen den Hintergrund nicht. Sie denken, ich mache irgendwelche Modelfotos. Warum sich Menschen so was angucken und wie ich damit Geld verdienen kann, ist für sie ein Rätsel, weil sie sich solche Bilder niemals an die Wand hängen würden. Aber mittlerweile hängt was an der Wand. Viel schwieriger ist es mit meiner Oma. Sie sagt mir oft, Peter, dass ist aber kein schönes Foto, aber sie mag mich trotzdem.  

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Publikationen Mittelkinder und Silber & Gold

Auf Tour mit Reptile Youth

Peters Tumblr und Website

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Eindrücke von Peters Zuhause in Neukölln:

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Fotos: Natalie Mayroth

There are 4 comments

  1. Wieland

    Ich denke, dass sich diese Art der Fotografie längst im Sterbeprozess befindet. Was mit Larry Clark, Peter Kern oder Wolfgang Tillmans begann und dann von Jürgen Teller zur „Perfektion“ gebracht wurde, wird auch ein Peter Kaaden nicht länger am Leben erhalten können. Diese „Realness“ ist ein Relikt aus den kalten 90’ern, das höchstens noch in der „Vice“ seine Vitirine gefunden hat. Der Weg geht heute wieder zu einer sensibleren oder zumindest „ästhetischeren“ Fotografie. Schocken ist langweilig geworden. Und Herr Kaaden will schocken, auch wenn er es abstreitet.
    Seine Bilder sind Zeitgeistfotografien, die keine große Nachhaltigkeit haben werden und ich prophezeie ihm, dass er mit seinem Stil in zehn Jahren keinen mehr begeistern wird.

      1. Wieland

        Hallo Veronika Christine,

        genau darüber habe ich während des Schreibens meiner kleinen Kritik auch nachgedacht. Und auch noch eine Nacht darüberhinaus. Eine wirklich gültige Antwort habe ich allerdings auch nicht gefunden. Allerdings habe ich mal ein wenig in die Fotografiegeschichte geschaut und nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zum Heute geforscht.
        Es fällt mir auf, dass ich heute ganz oft über Fotografen stolpere, zu deren Bildern mir sofort einfällt: „Sieht ja aus wie ein Foto von…“. Das gab es so sicher nicht als Leute wie Avedon oder Penn die (Mode-)Fotografie tatsächlich revolutioniert haben. Deshalb sind ihre Bilder Meilensteine geworden und haben diese Fotografen ihren eigenen „Hype“ auch überleben können. Ein Penn sieht eben immer aus wie ein Penn, während – um den Bezug zu Herrn Kaadens Arbeit wieder herzustellen – seine Bilder eben nicht wie „Kaadens“ aussehen sondern wie „Tellers“ oder „Tillmans'“. Und ich sehe eben keine Revolution in seiner Fotografie, was bei den genannten Großmeistern ganz sicher anders war. Aber nur die „revolutionären“ Bilder haben Bestand. Alles Andere ist nur Zeitgeist und das Aufsteigen auf schon fahrende Züge.
        Das Internet ist mittlerweile voll von Leuten, die sich eine T3 oder eine Contax kaufen, um diesen Stil, den auch Kaaden vertritt, zu kopieren anstatt einen eigenen zu finden.
        Ich habe vor einiger Zeit mal eine Mappenbesprechung mit Alec Soth im Internet gesehen und da kam auch ganz oft die Frage: „Who needs another [photographer xyz]?“, was vielen vor Augen geführt hat, dass sie , statt eigener, origineller Bilder, eigentlich Plagiate schaffen.

        Es mag sein, dass man schneller seinen Platz als Fotograf findet, wenn man sich dem anpasst, was visuell „en vogue“ ist; mir wäre der Anspruch allerdings zu gering. Ich möchte Bilder schaffe, die ein Nachleben haben anstatt in relativ kurzer Zeit wieder zu verschwinden. Das macht für mich gute Fotografie aus.
        Aber vielleicht hat Peter Kaaden da einen pragmatischeren Anspruch. Wer weiß.

        Liebe Grüße!

        1. Veronika Christine Dräxler

          Lieber Wieland – vielen Dank für diesen ausführlichen Kommentar! Ich stimme dir hauptsächlich zu, wobei ich auch denke, dass es nun Mal ähnliche Stilrichtungen gibt. Die Fotografie ist verhältnismässig ein eher junges Medium und wenn ich Maler dazu vergleiche, haben sich ja auch Stilrichtungen daraus ergeben, dass ähnliches Gedankengut ähnliche Ergebnise hervorgebracht hat.

          In Venedig habe ich die Henrie Rousseau Ausstellung besucht und war überrascht welche parallelen gezogen werden konnten zu Franz Marc, Frida Kahlo, Diego Riviera und vielen anderen Künstlern.

          Es könnte also durchaus sein, dass sich in der Retrospektive diese „sieht aus wie“ Fotografien bündeln lassen – zu einem Zeitgeist.

          Hast du noch einen Link zu der Mappenbesprechung mit Alec Soth?

          Würde mich sehr interessieren!

          Liebe Grüße!

Was denkst Du?