Rroomonday 17 mit Ryan Jordan

Rroomonday 17 mit Ryan Jordan

Am Montag habe ich beim 17. Rroomonday mit Ryan Jordan der Münchner Ausstellungshalle für internationale Gegenwartskunst Lothringer 13 wieder erfahren: Ein Konzert zu filmen oder nur zu versuchen jemand anderes davon zu erzählen, kommt nicht an das eigentliche Erlebnis heran. Das Bedürfnis es zu teilen bleibt natürlich trotzdem. Vielleicht, weil die Hoffnung besteht so den Moment noch ein Mal erleben zu können.

Heute ist Samstag, fünf Tage nach dem Konzert des Soundartists Ryan Jordan. Ich habe ihn nach seiner Performance als Lärm- und Lichtbeschwörer und Techno-Druiden abgespeichert. Gerade will ich Wäsche waschen und subtil steigt mir von dem Kleiderbündel der Duft von Palo Santo in die Nase. Diesen eigentümlichen Geruch des aus Peru und Ecuador stammenden Holzes, dem Heilkräfte nach gesagt werden und das von südamerikanischen Indianern in schamanischen Ayahusca-Ritualen Verwendung findet, kenne ich gut von meiner eigenen Familie. Ryan hatte das Holz bei seinem Konzert im Keller des Lothinger 13 verbrannt. Rroomday besuche ich regelmäßig und gerne, weil die in diesem Rahmen stattfindenden Vorträge von Kunstschaffenden überraschende Einblicke in Themen ermöglichen, auf die ich sonst wohl kaum stoßen würde. Auf das, was mich bei Ryans Konzert erwartet, bin ich trotzdem nicht im Geringsten gefasst.

Einfacher Verstärker, Foto: Lauren Franklin

Einfacher Verstärker, Foto: Lauren Franklin

Seinen Vortrag hält Ryan kurz, erzählt, dass er seine Instrumente aus Kupferdrähten, Dioden aus Roh-Mineralien und Gestein zusammenbaut, weil er lange nicht verstehen konnte, wie die Technik heute funktioniert. Um die Zusammenhänge für sich herzustellen, hat er sich durch Jahrhunderte von technischen Erfindungen und Theorien recherchiert. Mit einfachen Mitteln baut er inzwischen Solarzellen, Verstärker sowie die Instrumente für seine Performances. Ryan verbindet seine bei diesen seine kruden Technikinstallation, Rauch und Theorien aus dem Bereich Klangfiguren zu experimentellen Settings, mit denen er schon Mal versucht, wie er sagt, ins Reich der Toten vorzudringen. Geklappt habe es noch nicht, fügt er lachend hinzu und projiziert daraufhin Bilder von Frequenz-Hologrammen. Er erzählt kurz über die Theorie des Universums als Hologramm.

Wenig später gehen wir geschlossen in den Keller. Dana Weschke, die zusammen mit Jörg Koopmann die Lothinger 13 kuratiert, weißt uns noch darauf hin, dass wir das 30-minütige Konzert auch vorher verlassen können, wenn wir wollen.

Der Kellerraum ist abgedunkelt, es riecht fast schon erstickend nach Palo Santo. Es blitzt und ich zucke erschreckt zusammen. Meine Augen müssen sich erst an den starken Kontrast von Dunkelheit zu kraftvollem Stroboskop gewöhnen. Ein paar Mal zucke ich noch, dann fängt der überlaute, technoide Lärm – den das Licht über die Solarzellen auslöst – an mich zu betäuben. Ich starre in das abgehackt, blitzende Stroboskop wie auf einen Verkehrsunfall, den ich nicht sehen will, aber sehen muss. Ein weißer Fleck brennt sich in meine Sehzellen. Ein wenig bekomme ich Angst, dass dieser vielleicht dauerhaft bleiben wird. Ich schließe die Augen, aber das verändert fast nichts an der Stimmung im Raum. Die Tonfrequenzen scheinen das Augenlied so zu stimulieren, wie wenn ich mir mit den Fingern auf die Lider drücken würde. Ich sehe Nachlichter. Also egal, Augen auf.

Das weiße Licht verändert sich zeitweise, wird zu Farbflecken, die um mich herum kreisen. Dann wieder scheint sich das Blitzen auf mich zu zubewegen. Ryans Profil schwebt auf mich zu und wieder weg. Extrem – Denke ich immer wieder und, das vergesse ich sicher nie wieder. Halte ich das 30 Minuten aus? Aber die Faszination des Spektakels ist einfach zu groß, um zu unterbrechen, obwohl meine Ohren schon wehtun. Mein persönlicher Höhepunkt ist der Moment, bei dem ich anfange die holografischen Strukturen zu sehen, von denen Ryan in seinem Vortrag berichtet hat. Und dann viel zu schnell sind die 30 Minuten vorbei.

Keller_Lothringer

Ich gehe auf Zuckerwatte, eine seltsame Entspannung breitet sich in meinem Kopf aus und ich liebe die Stille, die in meinem Kopf herrscht. Was für einen Tag haben wir heute? Montag. Wow. Mich hat es für 30 Minuten aus der Realität in ein holistisches Paralleluniversum geschossen. Ich hoffe auf erleuchtete Träume und Tag-Visionen die Woche über. Aber leider kommt da nichts mehr nach, außer dass mich der Geruch von Palo Santo in Zukunft wohl an diese Reise erinnern wird.

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RROOM ist ein spezielles Entrée und erweiterte Praxis zu den laufenden Ausstellungen der Lothringer13 Halle im Hinterhof. Er verbindet als Veranstaltungsort verschiedene Disziplinen und Formate und ermöglicht die Vermittlung von nahen und fernen Themen. Tagsüber lädt er als Treffpunkt und Informationsquelle zur Münchner Kultur ein, ermöglicht Recherche und Entdeckung, und bietet Platz für Konzentration oder Zerstreuung. Die spezielle Buch- und Magazinauswahl ist immer auch thematisch auf die Ausstellungen abgestimmt und teils direkt erhältlich.

Jeden ersten, dritten und gegebenenfalls fünften Montagabend im Monat lädt die Lothringer13 Halle unterschiedlichste Kunstschaffende aus Theorie und Praxis zu den Rroomondays ein. Sie präsentieren dem Publikum Arbeiten zu wenig bekannten oder aktuellen Themen und stellen in Screenings, Performances, Lesungen oder Vorträgen einen Ausschnitt aus ihrem Fach vor.

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