Kein Zucker im Zug  

ECaroline von Eichhorns ist immer das Gleiche, wenn ich ein paar Stunden im Zug sitze, wie dieses Mal von Berlin nach München. Ich packe mir ganz viel gesundes Proviant für die Fahrt ein: Vollkornbrot, Karotten, Tee. Und keine Süßigkeiten, weil ich mich kenne: die esse ich gleich alle in der ersten halben Stunde auf. Und auch kein Geld, sonst kauf ich mir nur viele Süßigkeiten im teuren Bordrestaurant.

Während der Fahrt bekomm ich aber doch immer Lust auf Süßes. Ich guck in meinen Geldbeutel: ein 5-Cent-Stück. Ha. Keine Wahl. Dann reiß ich mich jetzt einfach mal zusammen. Doch meine Gedanken wollen nicht mehr weg von der Vorstellung, jetzt Süßigkeiten zu essen.

Nach einer Stunde Zugfahrt des Zögerns setze ich die einzige Idee um, die mir einfällt, um meinen Heiß-Hunger ohne Geld zu beseitigen.

Ich gehe ins Bordrestaurant, sehe einen Schaffner an der Theke und gehe weiter. Ich habe mich noch nicht getraut. Ich gehe die erste Klasse lieber einmal hinauf und hinab und nochmal ins Bordrestaurant. Der Schaffner an der Theke ist verschwunden. Jetzt oder nie. Ich lehne mich an die Bar-Theke und hoffe, dass der Schaffner wieder kommt.

Ein Schaffner kommt.

„Hallo, Tschuldigung, haben Sie noch ein paar Snacks aus der ersten Klasse, ich habe Hunger, aber kein Geld dabei“, frage ich.

„Bitte?“, fragt der Schaffner zurück.

„Haben Sie noch ein paar Snacks aus der ersten Klasse, Macadamia-Nüsse, oder Leibnitz Butterkekse, gerne auch einen Schokoriegel, ich hab so Hunger, aber kein Geld dabei.“

Der Schaffner schaut gleichgültig über meinen Kopf hinweg. Dann schluckt er. Gleich wird sich herausstellen, ob er nett oder böse ist.

„Warten Sie mal“, sagt der Schaffner. Er verschwindet.

Ein Mann, der an einem der Bartische lehnt, dreht sich um. „Jetzt bin ich aber gespannt, ob das funktioniert“, sagt er. Ich grinse.

Der Schaffner kommt zurück und reicht mir eine Handvoll Ferrero Rochers.

„Oh, wow, vielen Dank, Sie sind meine Rettung“, sage ich.

„Kostet fünf Euro.“ sagt er und schiebt mir die Pralinen zu.

„Sie sind ein Witzbold.“ Ich lache und will mich schon wegdrehen.

Er schaut böse. „Nein, ich meine das ernst. Pro Ferrero Rocher einen Euro.“

„Mh“, sage ich. „Dann zahle ich mit einem Goldstück.“ Ich schiebe ihm eines der fünf Rochers über den Thesen zurück.

„Nein, das geht nicht“, sagt er genauso ernst wie zuvor und verunsichert mich. Will er jetzt wirklich Geld? Ich hab ihm doch gesagt, dass ich keines dabei habe.

„Sie brauchen doch kein Geld im Zug. Sie haben ja Tee.“

„Ne. Ist zu kalt für Tee“, sagt der Schaffner.

„Ist doch gerade deswegen richtig“, erwidere ich.

„Sie meinen, ich solle Tee trinken, wenn es kalt ist?“

„Ja, würd’ ich empfehlen“, sage ich. Er zieht eine Augenbraue hoch, ich auch.

 

Ein netter Schaffner, einer der wenigen Netten. „Also, Dankeschön nochmal“, sage ich und gehe zurück an meinen Platz. Mit fünf Goldstücken für die nächsten viereinhalb Stunden.

Was denkst Du?