Actually Not Newspaper

Bei all der Digitalisierung und flächigem Zeitungssterben – es gibt sie noch die mutigen Herausgeber und Magazingründer. Unser Herz schlägt für Selfpublishing und darum stellen wir mit der Indie-Mag Rezension unabhängige Hefte vor. Mit viel Liebe gemacht, in kleiner Auflage erscheinend und ohne großen Verlag im Rücken.

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Blogkultur meets Politik. Wer die erste Ausgabe der „Actually Not“-Zeitung in der Hand hält, sieht zuallererst einen großen Panzer auf dem Cover, der gerade im Ukrainekonflikt im Einsatz ist. Darunter, ein Artikel von Christoph Kürbel, der sich die militärische Lage in der Ukraine als Journalist vor Ort angeschaut hat und sogar bis an die vordere Front mitgegangen ist. Damit läutet er das Profil des Blattes ein: Viel hochpolitischer Stoff, der zum Teil einen tieferen Blick wagt als ein üblicher, tagesaktuell produzierter Zeitungsinhalt: es geht um den Islam, Kenia, Völkerrecht und Flüchtlinge – international, kritisch, ausführlich und in ein cooles Design gepackt.

Das gelungene Layout der „Actually Not“-Zeitung ist clean und klassisch gehalten, wie man es von einer Tageszeitung kennt. Dazu findet man ein paar ungewöhnliche Elemente, etwa für Zeitungsgestaltung untypisch viele Weißräume. Mit mintgrün und schwarz ist die Farbgebung angenehm minimalistisch. Neben Fotografien lockern dezente Illustrationen die Texte auf. Die großen Seitenzahlen liefern einen schönen Kontrast zu der winzigen Serifen-Schrift, die zwar sehr gut aussieht, aber etwas klein geraten ist.

Ein interessantes Konzept: die Zeitung ist in Bars und Clubs zu haben – oder man bestellt sie im Netz. Damit könnte es gelingen, bei einigen feierfreudigen, jungen Menschen Interesse für politische Themen zu wecken. Das sollte man zumindest hoffen!

Nina Damsch, hat ein aufrichtiges, lesenswertes Editorial verfasst, indem sie beschreibt, wie schwierig es für einen kleinen Blog sein kann, eine konstruktive und lebhafte Streitkultur aufzubauen. Die Berichterstattung aus dem Libanon von Sammy Khamis geht einem nah: das Ringen eines schwachen, zerteilten Staats um eine geeignete Staatsform, deren Skepsis gegenüber einer Demokratie amerikanischer Art und der Islamische Staat, der im Land seine Spuren hinterlässt. Matthias Andrae analysiert die Situation in Kenia nach dem Anschlag von Garissa. Auch die anderen Texte sind ausgefeilt und mit Herzblut geschrieben – was ab und an dazu führt, dass die Artikel sehr lang geworden sind und nach Universität klingen. Was fehlt, sind Teaser, die dem Leser einen Überblick über den Text geben; auch bei den Überschriften wäre mehr als ein Stichwort ein größerer Leseanreiz gewesen.

Ein wenig vermissen kann man auch den Gedanken des Titels „Actually Not“. Dass die Artikel ein Thema verneinen, oder dem Grundton der massenmedialen Berichterstattung widersprechen, findet nur am Rande statt. Mehr klare „Not‘s“ würden dem Blatt beim nächsten Mal sehr gut tun. Insgesamt aber ist aus der Idee, einen politischen Blog auf Papier zu drucken, ein gelungenes Werk entstanden, das unbedingt fortgeführt, ausgeweitet und von Euch da draußen gelesen werden sollte.

Die „Actually Not Newspaper“ gibt es in der Spezlwirtschaft, im Attentat Griechischer Salat sowie in der Registratur. Mehr Infos auf: actuallynot.de

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