Endless Prototyping: Kunst trifft Industrie

Pflanzen, die aus Schadstoffen wertvolle Materialien herstellen. Kühe mit schmerzstillender Milch. Solche und andere Konzepte und Projekte, die noch nicht fertig, noch nicht ausgereift, noch nicht erprobt oder deren Aus- bzw. Fortgang noch unsicher sind, die aber gerade deswegen unheimlich spannend und inspirierend sind, zeigt die  Ausstellung „Human Factor – Endless Prototyping“ bis zum 27. August in Berlin Mitte im DRIVE Volkswagen Group Forum.

Wer die Ausstellung betritt, sieht nicht nur Autos – wie vielleicht erwartet – sondern auch futuristische Kunst-Maschinen-Hybride. Sie leuchten in Pink, oder lassen sich wie ein Astronautenhelm über den Kopf ziehen. Als erstes fällt die orangene Fräsmaschine ins Auge, die hinter einer hohen Glasscheibe geometrische Muster in eine weiße Platte frisst. Der Roboter macht eher den Eindruck als würde er aus der Automobilbranche stammen und wird in seiner Funktion aber zu einem Teil der künstlerischen Installation. Dahinter steht eine hohe Kuppel, unter der in kreisförmig angeordneten, weißen Kästen, Blumen in Töpfen wachsen. In der Mitte der Kästen ist eine Säule mit Wasser gefüllt, welche ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem vermuten lässt. Pflanzen sind Bestandteil von mehreren Installationen, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit befassen. Da Technik eine wichtige Rolle bei den Kunstobjekten spielt, erschließen sie sich oft erst bei näherer Betrachtung. Schilder oder Erklär-Tafeln helfen zusätzlich die komplexen Gebilde zu verstehen.

Auch ein Rahmenprogramm mit Workshops und Diskussionsrunden, gibt mehr Aufschluss darüber, was es mit dem Endless Prototyping auf sich hat. Den Auftakt macht eine Panel-Diskussion zur prototypischen Funktion von Kunst mit Vertretern aus internationalen Kunstinstitutionen, wie zum Beispiel Bernd Scherer vom Haus der Kulturen der Welt, Irini Papadimitriou vom Victoria und Alberts Museum oder Horst Hörtner vom Ars Electronica Future Lab.

Künstlerin Teresa Dillon bittet zum Speicheltest

Künstlerin Teresa Dillon bittet zum Speicheltest

Bevor die Diskussion inmitten der Ausstellung anfing, ging die Künstlerin Teresa Dillon mit einer Art Reagenzglas aus Plastik durch die Zuschauerreihen. „Darf ich eine Speichelprobe von Ihnen haben?“, fragte sie eine verdutzte Besucherin, „Keine Sorge, es geht nur darum Proteine nachzuweisen.“, erklärte sie weiter. Offensichtlich davon überzeugt, spuckte die junge Frau in den Plastikbehälter. Kurz darauf verfärbte sich die Spucke pink: Protein nachgewiesen.

Opimilk gegen Schmerzen

Die Idee der Installation/Performance „Opimilk“ von Teresa Dillon ist es ein Gen des Menschen, das Schmerzen stillt, in eine Kuh einzupflanzen, damit sie schmerzlindernde Milch gibt. Das Gen ist ein Protein, dass in menschlichem Speichel nachzuweisen ist.

Der spielerisch-künstlerische Ansatz der Entwicklung beschreibt das Konzept des Prototyp, um den es in der Ausstellung geht. Mit viel Kreativität und Neugierde sollen technische Lösungen entwickelt werden. Die Erfindungen der Ausstellungen sind bewusst nicht zu Ende gedacht, denn das ist es, was einen Prototyp ausmacht. Etwas, das immer im Prozess, das heißt in der Entwicklung bleibt. Ohne den Künstlerischen Ansatz würden die technischen Experimente zum Beispiel auch mit einem wirtschaftlichen Hintergrund entwickelt werden. Doch als Installation steht der kreative Prozess und auch die Ästhetik im Vordergrund.

Während der Panel-Diskussion zur prototypischen Funktion von Kunst wird klar, dass durch die Betrachtung eines technischen Prototyps als Kunstobjekt auch ethische Fragen bei der Entwicklung keine Rolle spielen. Wenn ein Prototyp nicht wirtschaftlich ist, ist er dann nur für die Menschen zu bekommen, die das Geld dafür haben? Was passiert mit dem Müll, der dadurch entsteht das ein Prototyp entwickelt und wieder verworfen wird?
Fest steht nach der Diskussionsrunde, dass das Zusammenspiel von Kunst und Technik vor allem von der funktionierenden Kommunikation zwischen den Disziplinen abhängt. Je experimentierfreudiger jemand ist, desto notwendiger sind Fähigkeiten in den unterschiedlichen Bereichen, wie Design und Technik. Doch im kleinen Maße reicht die Notwendigkeit eine Lösung zu entwickeln und ein Team, denn eigentlich gibt es Prototypen überall im Alltag oder als Projekte wie etwa Gemeinschaftsgärten oder Repair-Cafés.

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