Jürgen Teller – der Provinzfotograf

Liegt ein berühmtes Model im Baum, draußen auf dem fränkischen Hinterland: Da kann Jürgen Teller nicht weit sein. Im Kunstpalais Erlangen wurde über und von ihm eine kleine Ausstellung konzipiert. Zu sehen gibt es nicht nur dünne Frauen, sondern auch grazile Frösche.

Jürgen Teller kommt aus der Provinz. Damit hätten wir auch schon die Überleitung zu der Eröffnung seiner Ausstellung unter seinem eigenen Namen „Jürgen Teller“ in Erlangen, die dort vom 21. Januar bis zum 23. April zu sehen ist. Tatsächlich kommt er aus einem der umliegenden Dörfer, Bubenreuth. Das ist auch der Ort, an dem seine Karriere als Fotograf seinen Anfang nahm, bevor er nach London verschwand und mit Nirvana auf Tour ging.

Entgegen seiner „I don’t really care“- Attitude, mit der er am Eröffnungsabend ins Mikrofon nuschelte, scheint er sich allerdings doch hingezogen zu fühlen zu seiner Heimatregion. Zahlreiche seiner Fotoprojekte lichtete er dort ab, so fing er als Jugendlicher an seine Mutter, Irene Teller, im Bubenreuther Wald zu fotografieren. „Das hat überhaupt nicht funktioniert, die hat mich nicht an sich rangelassen!“, so sein Kommentar.

Um an seiner Technik zu feilen ging er erst auf die Bayerische Staatslehranstalt für Fotografie, packte dann seinen Koffer und zog nach London. Dort schlug er sich mit Plattencovern durch. Sein erster Erfolg war das Cover der Single „Nothing compares 2 you“ 1990 von Sinéad O’Connor. Ein Jahr später wurde er von Nirvana eingeladen mit auf Tour zu gehen und er schoss einige legendäre Aufnahmen von Kurt Cubain.

Fast jedem sind seine Fotografien schon mal begegnet. Ob in der britischen Vogue oder auf Plakaten für Marc Jacobs oder Versace. Kristen McMenamy, Kate Moss, Vivienne Westwood und viele mehr, alle inszenierte er in seinem Stil, den er Mitte der 1990er entwickelte. Die Bilder sehen aus, wie im Affekt geschossen: überbelichtet, provokant – oder wie soll man es erklären, wenn Teller Kim Kardashian fotografiert, wie sie einen Sandhügel auf allen Vieren „hochkrakselt“, sodass einem die großen, ungewöhnlich blassen Pobacken auf groteske Weise ins Auge stechen und dabei doch gar nicht so sinnlich aussehen?

Die eigens für die Räume des Kunstpalais konzipierte Ausstellung zeigt auch weniger nackte Arbeiten, zum Beispiel die Frösche auf Tellern. Im Ganzen gleichen sie eher dicken Bösewichten, aber in Detailaufnahmen wirken ihre Glieder so elegant, wie das Porzellan im Hintergrund. Der Heimatbezug zeigt sich noch öfters, in einer Modefotografie, für die er ein Model in einen Baum nahe bei Marloffstein setzte oder in der Aufnahme zweier Japanerinnen im fränkischen Wald. Klar ist auch seine Mutter ein häufiges Motiv.

Bekannt ist Teller auch für seine Selbstportraits, ob nackt in einer viel zu kleinen Badewanne oder bei der Arbeit von oben, so dass man die fehlenden Haare sieht, immer stellt der Fotograf auch sich selbst bewusst unvorteilhaft dar. In der Ausstellung zeigt er sich auf einer Plakat-großen Fotografie auf einem Barocksessel. Auf den Druck hat er mit Edding Retuschier-Anweisungen geschrieben: kein guter Ausdruck/ anderen Stuhl ausprobieren auch der Fellmantel ist nicht so gut/Bauch retuschieren.

„Immer wenn ein Portrait von mir für ein Magazin gemacht werden soll, wollen sie irgendwas retuschieren, meine Arm-Haare zum Beispiel oder kahle Stellen auf meinem Kopf!“, erklärt er bei der Eröffnung. Er kritisiert damit die, das westlichen Schönheitsideal definierende, Modebranche, zu der er selbst gehört. Ironischerweise sind auch die als unperfekt inszenierten Fotografien von Schiffer, Moss, Cole und wie sie alle heißen nicht unvorteilhaft, sondern zeigen, dass diese Frauen selbst noch schön sind, wenn sie im Alltag „ertappt“ und fotografiert werden. Aber wahrscheinlich konnte der Fotograf gerade deswegen so beliebt werden.

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