Judith Neunhaeuserer | Karl-Marx-Ring 7

Treppenhaus des Karl-Marx-Ring 7

München und das ewige Sauberstadt-Image. Es gibt Kulturschaffende, die da gegen klagen und Andere, die sich davon nicht beeindrucken lassen und mit Projekten den Blick vom Mainstream-Image weglenken. Denn Image liegt eben auch im Auge des Betrachters und seiner Fokussierung. Fernab vom Münchner Stadtzentrum, im Treppenhaus des Karl-Marx-Ring 7 in Neuperlach, zeigt Judith Neunhaeuserer, 25, an ausgewählten Abenden künstlerische Positionen. Sie studiert Freie Kunst an der Akademie der Bildenden Künste München und scheut sich nicht außerhalb der Innenstadt zu veranstalten.

Foto: Judith Neunhaeuser

Foto: Judith Neunhaeuserer

Für die Ausstellungen im Karl-Marx-Ring 7 gibst du den Rahmen vor. Das heißt, du suchst neben den Themen und den Titeln der jeweiligen Ausstellungen auch die Arbeiten der Künstler aus. Nach welchen Kriterien triffst du hier deine Entscheidungen?

Die Planung der einzelnen Ausstellung ist eher anders herum. Ich sehe aus meinem gedanklichen Fundus an künstlerischen Arbeiten von Freunden und Bekannten manche so gut korrespondieren, oder eine spannende Unterschiedlichkeit in der Bearbeitung eines ähnlichen Inhalts oder Mediums, dass ich sie gerne zusammenbringen würde. Oder ich denke an ein Kunstobjekt, wo ich genau weiß, wie ich es inszenieren würde, oder das in mein Treppenhaus passt, weil es zum Beispiel vor einer gefliesten orangfarbenen Wand phänomenal wirkt. Davon ausgehend überlege ich mir assoziativ einen Titel, sozusagen als Überbegriff. Wenn mir für den Raum dann noch Arbeiten fehlen oder zu diesem Begriff ein Aspekt unbedingt mit rein muss, überlege ich weiter und kombiniere noch ein paar Arbeiten dazu. Ein ausformuliertes Thema gibt es nicht, auch keinen Begleittext zur Ausstellung.

Wichtig ist mir, dass die Leichtigkeit bewahrt wird, auch indem es schnell geht und nur 1 Abend dauert. Und dass das Projekt allen Beteiligten Freude macht.

Der „Off-Space im eigenen Wohnraum“ – ist das wirklich neu oder doch nur ein neuer Begriff für den „Salon“?

Neu ist die Idee nicht, auch nicht für München, aber das ist nicht das Entscheidende. Anders als der Salon ist der Karl-Marx-Ring 7, weil die Ausstellungen nicht komplett im Privaten stattfinden, sondern immerhin im Treppenhaus eines Wohnblocks mit 30 Wohnungen, und sie sind nicht exklusiv. Ihm eigen ist die spezifische Gestaltung des Raumes mit den farbigen Fliesenwänden.

Außerdem gibt es in Neuperlach einen Mangel an Kunsträumen: Eine Besucherin erzählte mir, dass es für den größten Stadtteil Münchens mit rund 60.000 Einwohnerinnen nicht einen Ausstellungsraum gibt.

Es soll aber nicht so wirken, als ob die Kultur nun in die Randbezirke der Stadt getragen wird, sondern ich persönlich finde mindestens genauso interessant, dass Studierende und Leute aus der Kulturbranche, die sich für gewöhnlich nur in Schwabing, Maxvorstadt, Glockenbachviertel und vielleicht noch im Westend aufhalten, dafür nach Neuperlach kommen. Der Austausch mit anderen Bevölkerungsgruppen, sowohl beruflich wie altersmäßig, ist beiderseits spannend, zum Beispiel hatten wir neulich eine größere Kindergruppe als Performancepublikum.

Was muss man neben den von dir kuratierten Ausstellungen in Neuperlach noch gesehen haben?

Ich finde das Marx-Zentrum eine urbane Perle Münchens. Dann sollte man auf den Aussichtshügel im Ostpark mit dem Münzfernrohr die Wohnsiedlungen vor dem Alpenpanorama betrachten. Und auf Youtube kann man sich das Schulprojekt „Lebenswelten Neuperlach“ anschauen, das ist abwechslungsreich gemacht und zeigt Einblicke in das Leben der Bewohnerinnen und Bewohner Neuperlachs.

Die nächsten Ausstellungstermine im Karl-Marx- Ring 7 sind jeweils am 18.10.2016, 15.11.2016, 13.12.2016 und 24.01.2017. Mehr zu den Ausstellungen hier. Bisher ausgestellt haben unter anderen Ivo Rick, Domino Pyttel und Jakob Gilg.

Was denkst Du?