Ahmet Öğüt | Bakunins Barrikade im Museum Ludwig

Ahmet Öğüt, Bakunins Barrikade, 2014/ 2016

Ahmet Öğüt, Bakunins Barrikade, 2014/ 2016

Ein Bombenentschärfer, eine verdächtige Tasche, ein Selbtsmordattentäter, Frau, Tochter, ein Soldat und zwei Hunde. Alles aufstellbare Pappfiguren aus Ahmet Öğüts interaktiver Installation River Crossing Puzzle“ (2010). Die Aufgabe hier ist alle sicher von der einen Seite des imaginären Flusses mit einem Boot auf die andere zu bringen, doch nur drei wissen, wie man das zwei-Mann-Boot navigiert. Wie sollen die Figuren also aufgeteilt werden?

Das Werk des kurdischen, aber international arbeitenden Künstlers ist provokativ und vielfältig. Derzeit und noch bis zum 8. Januar 2017 ist Ahmet Öğüts Arbeit „Bakunins Barrikade“ im Kölner Museum Ludwig in der Gruppenausstellung „Wir nennen es Ludwig“ zu sehen. Dort hat er den Straßenkampf ins Museum geholt. Die Arbeit dort bezieht sich auf die Dresdner Maiaufstände von 1849. König Friedrich August II. von Sachsen sollte gestürzt werden, um eine sächsische Republik zu etablieren. Der Revolutionär Michail Bakunin soll vorgeschlagen haben, Kunstwerke aus den Dresdner Kunstsammlungen an den Barrikaden anzubringen. Kunst als Schutzschild der Revolution sozusagen.

Ahmet Öğüt ist bereits seit mehreren Jahren in Berlin, stellt aber immer noch in seiner Heimat aus. Wenige Tage vor dem Putschversuch eröffnete er seine erste Einzelausstellung in Istanbul. Zurück in Berlin treffen wir uns auf ein Gespräch:

Portraet Ahmet Öğüt

Porträt Ahmet Öğüt

Du hast eine besondere Beziehung zu der Zusammenarbeit mit Kunst-Institutionen. Wie gestaltet sich diese?

Ich sehe die Zusammenarbeit mit einer Kunst-Institution nie als etwas kurzfristiges. Bei vielen fühle ich mich nach wie vor zu Hause, auch weil wir oft wieder und wieder Projekte realisieren. Es wie ist ein stetig aufeinander bezogener Lernprozess. Die Aufgabe einer Institution ist ja nicht nur ihre Türen für die Allgemeinheit zu öffnen. Die Leute, die in solchen Institutionen arbeiten, vom Kurator bis zum Hausmeister, sollten alle in Entscheidungsprozesse mit eingebunden werden. Ebenfalls die Besucher, die sollten davon auch nicht ausgeschlossen werden. Künstlerische Arbeiten führen ein Eigenleben und findet ihren Platz von ganz alleine und der Besucher trägt schließlich dazu bei, die Arbeit am Leben zu halten. So wie die Bindung eines Künstlers zu seinem Werk nicht durch eine Ausstellung begrenzt ist, so sehe ich auch Institutionen in der Verantwortung, offen für eine andauernde Zusammenarbeit mit dem Künstler zu sein. Das Studio des Künstlers ist ja bestenfalls ein Ort des Austauschs, der wiederum den Produktionsprozess beeinflusst.

Was kommt zuerst, die Idee oder das Medium?

Die Idee kommt immer zuerst. Danach das Medium als Herausforderung. Oft kann eine Idee nur durch die Zusammenarbeit mit anderen Spezialisten realisiert werden. Dies ist der Grund, warum ich schon mit so vielen unterschiedlichen Menschen kooperiert habe. Zum Beispiel mit Auktionären, Feuerwehrmännern, Anwälten, einem Friseur oder einem Lippenleser. 2008 habe ich mit einem Barbier aus Berlin – Alexander Peikert – die Performance “Another Perfect Day” auf der 5. Berlin Biennale aufgeführt. Peikert hat im Licht eines Motorradscheinwerfers Haare geschnitten, was eine Referenz zu der Kreativität und dem Improvisationsvermögen in dem täglichen Leben und der Arbeit von Menschen darstellt, die in unstabilen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen leben. Nach sieben Jahren habe ich ihn letztes Jahr wieder für eine Show in London getroffen. Wir sind inzwischen gute Freunde.

Wie war es in Istanbul auszustellen?

In Istanbul oszillieren wir immer zwischen Optimismus und Pessimismus. Heutzutage passiert fast alle zwei Wochen etwas Surreales und leider gewöhnen wir uns daran. Nachdem ich fünf Jahre gewartet habe, konnte ich endlich meine Einzelausstellung im Alt Art Space im Juli eröffnen, zwei Tage vor dem Putschversuch. Eine Arbeit dort war „For six months“. Es ist eine sehr emotionale Arbeit, die aus Schildern von ehemaligen Kunst-Räumlichkeiten zusammen gesetzt ist: von Museen, Galerien, Nonprofit-Organisationen oder Studios. Die Schilder zeigen, was auf der kulturellen Landkarte Istanbul entstanden oder verschwunden ist. Es ist ein Ort, um darüber zu trauern, was verloren gegangen ist. Die “For six months” steht aber auch für eine Chance oder einen Moment der alle zusammenbringt, die die kulturelle Szene in Istanbul geformt haben.

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