#51 Maria Justus

Selfie – ein so neues und doch nahezu abgenutztes Wort. Aus dem zeitgenössischen Wortschatz und Lebensalltag ist es nicht mehr wegzudenken. Aber die immer gleiche Pose? Wir bitten jeweils Künstler um ein Selbstporträt und ihre Gedanken, die ihnen beim Fotografien durch den Kopf gehen.

Maria Justus als "femme nue sur un canapé"

Maria Justus als „femme nue sur un canapé“
aus der Serie „Ruhende Maria“, 2016

Ein Selfie ist eine Momentaufnahme der Schnittstelle zwischen dem, was man darstellen möchte und dem was man im Moment ist. Aber: Ein Selfie ist nicht gleich ein Selfie. Es kann auch über sich selbst hinaus wachsen. Hier bin ich eine Künstlerin, eine Muse, eine Frau von nebenan und gleichzeitig die femme nue sur un canapé, für die sich Renoir so begeistern konnte.“

Ein Selfie ist ein Selfie, ist kein Selfie. Bin das ich auf dem Selfie oder kann ich auf einem Selbstporträt mehr als ich sein? Maria Justus, 26, geboren in Nowosibirsk, Russland und seit 2010 Studentin an der Akademie der Bildenden Künste München, hat in ihrer sechsteiligen Arbeit „Die Ruhende Maria“ weibliche Aktdarstellungen unter anderem von Renoir, Goya und Cranach mit ihrem Körper kombiniert. Die Collagen fallen auf den ersten Blick weniger als solche auf, vielmehr fesseln sie den Blick auf die vermeintliche Entblößung der Künstlerin. Diese überrascht, dringt doch zeitgenössische Nacktheit in solchen Posen kaum noch in die Timeline der sozialen Medien. Auf den zweiten Blick offenbart sich fast schon mit einer kleinen Enttäuschung, dass Maria sehr wohl bekleidet ist: allerdings mit entliehenen nackten Frauenkörpern aus Sicht der Alten Meister. Gilt Nacktsein also auch, wenn es ein fremder Körper ist, den man auf seinem eigenen zur Schau stellt?

Es ist allerseits bekannt, dass Facebook eingestellte Fotografien mit weiblichen Nippeln löscht. Der Umgang mit weiblicher Sexualität ist in unserer Gesellschaft schizophren. Zum einen übersexualisiert durch die Werbung, zum anderen aus unserer digitalen Lebenswelt schleichend verbannt. Viel nackte Haut, aber bitte nicht zu viel. Sich als Frau im öffentlichen Leben nackt zu zeigen findet noch immer auf einem schmalen Grad zwischen Ächtung und Respekt statt. Der Körper der Nackten wird schnell abgestempelt als billig „käuflich“ oder bestenfalls als „künstlerisch“ wertvoll. Beide Polaritäten eng verbunden mit dem Körper als Objekt. Mit der weiblichen Nacktheit als Begehrlichkeit. Maria Justus spielt mit dieser Begehrlichkeit. Sie umgarnt den Betrachter, um ihn dann doch außen vor zu lassen und zum Innehalten und Nachdenken zu zwingen.

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Weitere Arbeiten von Maria Justus auf ihrer Webseite.

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