Bed-In im Kurbel-Zwischenraum

Montags könnte ich kotzen. Diese Aussage musste ich zum Glück schon seit sicher einandhalb Jahren nicht mehr machen. Aber dieses Montagsgefühl wieder zu haben, das ist Eine meiner heimlichen Ängste, von der ich als Medienkunst-Studentin noch immer nicht frei bin. Obwohl ich sehr daran arbeite, das Tumblr-Mantra „Do more of what you love“ in der Realität umzusetzen.

Als Studierende der Hochschule für Gestaltung in Karslruhe, funktioniert das sehr gut: Ich kann erfolgreich nur das tun, was mir entspricht. Möglich ist das allerdings nur, weil ich Dank Stipendium von der Akademie der Bildenden Künste München wirklich für einige Monate befreit bin von Geldsorgen und sozusagen ein bedingungsloses Grundeinkommen beziehe.

Was tue ich also mit dieser freigestellten Zeit? Zum Beispiel liege ich montags im Bett. Aber ausgiebig bis abends um 19 Uhr – mit vollem Programm. Und das natürlich nicht alleine. Hannah Cooke und Seraphine Meya haben am Montag den 1. Juni im Kurbel-Zwischenraum in Karlsruhe ein internationales Bed-In mit dem Thema „Liebe ist das Gegenteil von Angst“ nach Vorbild von Yoko Ono und John Lennon veranstaltet.

Bed-in im Kurbel-Zwischenraum (c) Hannah Cooke

Der Kurbel-Zwischenraum befindet sich in einem leer stehenden Friseurladen in der Kaiserpassage, einer Ladenstraße im Zentrum von Karlsruhe. Um von meinem Bett ins große Gemeinschaftsbett zu wechseln muss ich mit dem Fahrrad durch den strömenden Regen eine viertel Stunde fahren. Als ich ankomme habe ich das Freie Tanzen mit Gabriela Lang und Marco Zampella gerade verpasst und bin ziemlich nass, weil ich die Wetterlage unterschätzt habe – aber als Belohnung begrüßt mich der Duft von frischgebackenen Waffeln und Zimt. Ich ziehe meine Schuhe und triefende Lederjacke aus und vor mir spannt sich ein Satin-Baldachin im Raum. Ein Traum – kann ich nur denken. Was ist das für ein unglaublich schönes Leben, wenn ich an einem gewöhnlichen Montag heiße Waffeln in einem weichen Himmelbett essen kann! Ich fühle mich angekommen.

Seraphine frägt in die Runde „Who is up for a 20 minutes Yoga-Session?“ – die Bed-In Sprache ist Englisch, denn es sind ein paar Austauschstudenten anwesend. Waffeln, Himmelbett, Yoga. #läuft und Seraphine bringt uns Kapalbhati Pranayamauns – die Feueratmung – bei. Das sieht ziemlich lustig aus und ist hier live über Webcam aufgezeichnet einsehbar.

Auf die Yoga-Session folgen abwechselnd theoretische und praktische Inputs. Sebastian Baden, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Kunstwissenschaft an der HFG, hält einen performativen Vortrag über die Graswurzelglobalisierung, also der Globalisierung von unten. In diesem Zusammenhang stellt er uns die Arbeit „Exposing Wall Street“ des Künstlers Zefrey Throwell vor, die möglicherweise ausschlaggebend für die Occupy-Bewegung gewesen sein soll. Im folgenden Video ein Teaser:

In der Pause danach spendiert einer der Gäste Törtchen und dann üben wir „Essential Healing“. Eine Selbstheilungstechnik, bei der es schwierig ist, im angespannten Stehen konzentriert Gleichgewicht mit einer Gruppe von Menschen auf einem Matratzenlager zu halten. Was aber die Idee der Graswurzelglobalisierung und -revolution erfahrbar macht.

Bed-in (c) Hannah Cooke Essential Healing mit Galoa Irinis

Während den letzten beiden Vorträgen von Jonas Baumhauer über „Zukunft gestalten“ und von Thomas Meier über „Micronations“ zeichne ich einen Teil der Anwesenden als Reenactment von John Lennons „Bag One Portfolio“ Zeichnungen – und es kann kein Zufall sein, dass ich gerade so alt bin, wie John als er wieder mit dem Zeichnen anfing. Meine Zeichnung hat Blogger Siegmar Gebele unter anderem in seinem Bericht über das Bed-In dokumentiert.

Bed-in (c) Hannah Cooke Jonas (links), Thomas (2. von links)

Abends zu Hause bin ich so voller positiver Energie, Tatendrang und neuen Ideen, dass ich das Gefühl habe vor Liebe zu platzen. Mit dem Bed-In in der Kaiserpassage ist es Hannah und Seraphine gelungen Peter Weibels Anspruch an die Kunst zu erfüllen, deren Aufgabe darin bestehe, Türen zu öffnen, wo sie keiner sieht.

Make Love – think beyond Capitalism.

✌️

Bildnachweis: Hannah Cooke

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