Joanne McNeil | Netzkunst im Espace Louis Vuitton

Olia Lialina, Summer, 2013
Bildnachweis: Olia Lialina, Summer, 2013

Eine eher unerwartete Kombination: der New Yorker Internetkünstler Cory Arcangel und München. Bis zum 08.08.2015 läuft die Einzelausstellung „Be the first of your friends“ im Espace Louis Vuitton, dem Ausstellungs-, Förder- und Veranstaltungsraum für zeitgenössische Kunst des Luxuslabels. Gezeigt wird unter anderen seine Arbeit „Super Mario Clouds“, in der er den Code des Super Nintendo Spiels soweit verändert hat, dass nur noch die Wolken mit blauem Himmeln zu sehen sind. Cory hat im Rahmen des Kino der Kunst 2015 den Preis für sein filmisches Gesamtwerk erhalten. Wer die Ausstellung noch nicht während Kino der Kunst besucht hat, sich aber mit postdigitalen Strömungen in der Kunst auseinandersetzt oder das in Zukunft vorhat, für den lohnt es das nachzuholen. Zugegebenermaßen, die letzten Ausstellungen waren für den professionellen Kunstrezipienten eher unspannend und vorwiegend dekorativ, aber mit Cory Arcangel ist es dem Team des Espace Louis Vuitton schneller als jeder ansässigen und gut aufgestellten Münchner Galerie gelungen, das Hyperzeitgenössische in die Bayerische Landeshauptstadt zu holen. Ein guter Anlass sich seine Arbeiten anzusehen ist das am 9. Juli um 19 Uhr in der Ausstellung stattfindende Gespräch, zwischen der russischen Netzkunst-Koryphäe Olia Lialina und der amerikanischen Autorin Joanne McNeil, über die Rolle von digitaler Kunst in Bezug auf die Kunst selbst, ihren Einfluss auf Politik und Gesellschaft.

Joanne McNeil (c) Clayton Cubitt

Joanne McNeil (c) Clayton Cubitt

Drei Fragen an Joanne McNeil, 34, Autorin und Kunstkritikerin. Sie schreibt unter anderem für Frieze, Medium und Wired. Kürzlich erhielt sie von der Thoma Foundation den „Arts Writing Fellowship Award“, der an Autoren verliehen wird, die sich mit digitaler Kunst auseinandersetzen. Derzeit schreibt sie ein Buch über Datenschutz und Internetkultur.

Joanne, zusammen mit der Internet Künstlerin Olia Lialina wirst du im Münchner Espace Louis Vuitton die aktuellen Tendenzen der digitalen Kunst diskutieren. Was erwartest du dir von diesem Gespräch?

Olia ist eine Legende was die digitale Kunst angeht und beeinflusst viele Künstler enorm. Ihr Standpunkt ist insbesondere für die Öffentlichkeit wertvoll, weil sie einen roten Faden der digitalen Praxis aufzeigt – vom Beginn des Internets bis heute. Ihre neueste Arbeit zu Datenschutz gegenüber der totalen Transparenz von Usern halte ich für entscheiden, da der Trend bei Benutzeroberflächen in Richtung unsichtbar im Hintergrund ablaufende Systeme geht. In ihrem Essay „Der Vollkommene Turing User“ schreibt sie: „Ein User zu sein ist die letzte Erinnerung daran, dass es – sichtbar oder nicht – einen Computer, ein programmiertes System gibt, dass du nutzt.“

Auf deiner Webseite legst du dar, dass du über kaputte iPhones, virtuelle Assistenten auf Flughäfen, den Chelsea Manning Prozess und die Zukunft von Romanen schreibst. Wieso sind diese Themen für dich wichtig?

Das ist eine ausführliche Art zu vermitteln, dass mich interessiert, wie sich die Gesellschaft verändert und an neue Technologien anpasst. Bisweilen beobachte ich seltsame Beispiele dafür: Menschen, die wegen gesplitterten iPhone Displays ausfallend werden oder eben virtuelle Assistenten, die Arbeitskräfte auf Flughäfen ersetzen. Aber ich interessiere mich ebenso für Politik, wie für Verhaltensweisen, die durch den technischen Wandel ausgelöst werden. Als ich über den Chelsea-Manning-Prozess geschrieben habe, habe ich die generationsbedingte Haltung gegenüber Transparenz in Betracht gezogen und wie Gesetze – die vor dem World Wide Web verabschiedet wurden – vollkommen unsinnig auf ihren Fall angewendet erscheinen, sobald einmal nachvollzogen werden kann, wie sie Technologie dazu verwendet hat, vertrauliche Dokumente an die Öffentlichkeit sickern zu lassen.

Du schreibst nicht nur, sondern verwirklichst auch unterschiedlichste Projekte, darunter die Arbeit „Emotional Labor“, eine Chrome-Anwendung für Gmail, die den Ton einer verfassten E-Mail netter macht, bevor sie versendet wird. Wie hängt das mit deiner Arbeit als Autorin zusammen?

Schreiben ist einsam und nicht gemeinschaftlich (ausgenommen davon ist das Redigieren) – darum mag ich es, unterschiedliche Disziplinen zusammenzubringen und Ideen in anderen Formaten als Essays zu präsentieren. In der Arbeit „Emotional Labor“ geht es ja immer noch um Text. Die Anwendung wechselt Wörter aus, ersetzt sie durch neue und erzeugt so einen anderen Ton für eine E-Mail. Aber statt dass ich darüber schreibe, warum das nicht so eine gute Idee ist, kann jeder die Anwendung downloaden und selbst seine Erfahrungen damit machen.

RSVP für das Gespräch im Espace Louis Vuitton München, Maximilianstr. 2a, bis zum 08.07. unter info-espace@de.vuitton.com oder +49 (0)89 55 89 38 359.

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