Fotografie aus dem Iran – Soheila Sanamno | MiCT

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Foto: Soheila Sanamno „Saeedeh & Samira“

Zwei Mädchen in orangen T-Shirts und pinken Jogginghosen liegen auf einer gemusterten Decke. Ihre schlafenden Gesichter sind zueinander gewandt. Ihre Körper seitlich gedreht. Die oberen Arme beider Mädchen sind ausgestreckt, sodass ihre Hände auf der Schulter der einen und auf der Taille der anderen ruhen. Es hat den Anschein, als wären sie gespiegelt, nur die unterschiedlichen Handpositionen verraten, dass es zwei Individuen sind. Das Foto ist Teil der Fotostrecke „Twins“ der iranischen Fotografin Soheila Sanamno, die im Rahmen der Vernissage „Fotografie aus Iran“ in den Räumen der Media in Cooperation and Transition (MiCT) in der Brunnenstraße 9 vom 5. bis 6. November ausgestellt wurde. An diesem Abend empfängt die Künstlerin aus Tabriz die „Open Eye Medal“ des MiCT für herausragende journalistische Arbeit. Fotografische Ergebnisse von fünf weiteren Teilnehmern werden in Form einer fortlaufenden Diashow präsentiert.

Das Interesse an der Vernissage ist enorm. Bei Facebook gibt es über 7000 Anmeldungen. Die Organisatoren werden mit Registrierungsemails überschwemmt. Punkt 18 Uhr steht eine lange Menschenreihe vor dem Hinterhof der Brunnenstraße. Vor lauter Menschenköpfen sieht man kaum etwas von der zierlichen Fotografin bei der Eröffnungszeremonie und vor den Ausstellungsstücken bilden sich kleine Staus. Erst seit eineinhalb Jahren habe sich Iran so geöffnet, dass solche Projekte möglich seien, erklärt Klaas Glenewinkel – einer der Leiter von MiCT – während der Eröffnungsrede.

Die Fotostrecke „24h in Teheran“ ist das Projekt, welches während des Workshops in Teheran entstanden ist. Die Bilder unterschiedlicher Formate in einer diffusen Ordnung an der Wand klebend zeigen hauptsächlich Menschen mit einem Blatt Papier in den Händen. Auf diesen steht ihre Antwort auf die Frage „Was bedeutet dir das Atomabkommen zwischen dem Iran und der USA?“. Die Antworten variieren. Manche haben Hoffnung, manche erwarten nichts Besonderes, einer hat Angst und ein Anderer mag die USA nicht. Die Bilder sind dokumentarisch. Sie spiegeln die Bandbreite der Meinungen wieder. Sie verraten aber auch etwas über die Fotografin aus dem Land, das gleichzeitig fasziniert und Schrecken auslöst: Sie ist hoffnungsvoll.

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Das Besondere an dieser Fotostrecke entsteht durch die Interaktion mit dem Publikum. Da die Aussagen auf den Fotos in Persisch geschrieben sind, laufen die Besucher ständig zwischen dem A3-großen Papierstück mit den Übersetzungen links an der Wand hängend und den Fotos hin und her. Untermalt von iranischer Clubmusik und den Stimmen der Menschenmasse, ergibt das ein buntes und gedrängtes Bild, ähnlich wie auf dem türkischen Wochenmarkt am Maybachufer.

Mit der „Twins“-Strecke hat Soheila sich für den Workshop „Photo Reporting & Photographic Feature“ unter der Leitung des Fotografen Heinrich Völkel (Agentur Ostkreuz) beworben. „Meine Frau ist Fotografin und als sie die Bilder sah, sagte sie, dass solche Fotos nur eine Frau machen könne. Solch ein naher Kontakt zu den Fotografierten sei bei Fotografen eher Ausnahme“, begründet er die Auswahl der Fotografien. Die Fotostrecke zeigt das einfache Leben der eineiigen Zwillingsmädchen Saeedeh und Samira auf dem Land im westazerbaidschanischen Teil des Irans.

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Soheila Sanamno

In einem kurzen Gespräch erzählt Soheila, wie wichtig weibliche Fotografen im Iran sind, denn nur Frauen dürften dort Frauen ablichten. Und, dass sie einen Hidschab trägt, da sonst von diesem Abend kein Foto von ihr an diesem Abend in den iranischen Medien veröffentlicht werden könne. Auf die Frage hin, ob es auch im Iran solche Ausstellungen gebe, antwortet Soheila, es gäbe jeden Freitag mindestens fünf solcher Events in unterschiedlichen Teheraner Stadtteilen. Am Ende des Gesprächs lädt sie mit einem herzlichen Lächeln in den Iran ein.

Die hohe Besucherzahl spricht für die Exotik des lange verschlossenen Religionsstaates. Dennoch sollte Soheila Sanamno keinesfalls als eine Fotografin, die nur aufgrund der politischen Lage ihres Landes interessant ist, abgetan werden. Ihre Bilder besitzen dokumentarischen Wert, der darüber hinausgeht. Durch ihr Talent die Menschen so nah zu zeigen, hinterlassen sie das Gefühl, mit ihnen gelebt zu haben. Schön wäre es, mehr ihrer Arbeiten in Ausstellungen zu sehen.

Eindrücke vom Abend:
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Fotos: Natalie Mayroth
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Das MiCT ist eine Non-Profit-Organisation, die Mediaprojekte in Krisengebieten implementiert. Im August dieses Jahres führte MiCT den Workshop „Photo Reporting & Photographic Feature“ unter der Leitung des Fotografen Heinrich Völkel und mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes durch.

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