The (Bogotá) Hashtag Diaries

28/03/2016
Nach dreiwöchiger quasi Offline Rundreise von Cali nach Quito von Quito nach Cali nach Medellin nach Cartagena nach Playa Blanca nach Medellin (mehr dazu hier) fliege ich morgen zu Nora nach Bogotá. (Anm. Nora Renaud, die wir auf der Unpainted interviewt haben.) Zur Feier meiner letzten Nacht in Medellin sollte ich wohl ausgehen, aber ich habe schlimme Kopfschmerzen und brauche Dunkelheit und Ruhe. Ich habe Heimweh und weiß ein Mal wieder nicht, wo mein Leben hin soll, aber das ist ja nichts Neues. Was ist Kunst? Mir ist alles zu laut.

29/03/2016
Medellin – Bogotá

Ich höre Jimi Hendrix über den Wolken. Die Turbinen klingen nicht so gesund. „I´ve been waiting so long to go where I´am going…“ Gestern Nacht habe ich reihenweise Absagen von Kunststipendien bekommen, im Traum. Nicht Mal im Schlaf lässt mich der Erfolgsdruck in Ruhe, den ich eigentlich auf dieser Reise abschütteln wollte. Alles ist immer möglich und gleichzeitig auch nichts.

himmel

30/03/2016
Der Ausblick aus Noras Studio macht mich fertig und mit dem Kunsthaus Flora ars+natura habe ich für mich einen Ort gefunden, bei dem ich gerne öfters sein möchte.

Hola #bogota – sleeping in this super inspiring #studio of @norarenaud and @miltosmanetas #colombia #urbanjungle #artistlife

Ein von Veronika Christine Dräxler (@veronikachristine) gepostetes Foto am




05/04/2016
Heute wäre mein Rückflug nach München gewesen, aber ich habe ihn nicht wahrgenommen. Nora, Miltos und ich haben ein seltsam-überraschendes und überintensives Gefühl der Zusammengehörigkeit und wir spüren: Ich muss einfach vorerst bleiben. Wir haben die letzten Nächte durchgeredet: über Newpressionism und Neen und Internet. Bis zur Erschöpfung. Aber das ist eben erst der Anfang.

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06/04/2016
Wir haben uns über die Natur des Internets ausgetauscht. What is nature anyway? Natur stammt aus dem lateinischen nasci, was so viel bedeutet wie entstehen, geboren werden. Die Natur ist eine Eigenschaft der Wirklichkeit. Und damit nicht immer grün. Außerdem: Pizzapizza.

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Und Zwischendrinnen fahren wir abwechselnd in Ubers und Taxis zu Galerien oder in das zweite Studio der Beiden zur Candelaria (Altstadt) und Bogotá erweist sich als das Zuhause von Dauer-April-Wetter.

Miltos und Nora

09/04/2016
Salvador Dalí hat also auch Skulpturen gemacht. (Weiß ich nach einem Besuch der Kunstsammlung des Banco de la Republica.)

13/04/2016
Ich liege im Bett, mir ist kalt. Bogotá ist eben nicht wie Medellin, die Stadt des ewigen Frühlings. Plan für heute: Geld abheben. Plan gescheitert, mittags regnet es schon wieder. Gestern hatte ich ein Gespräch über meine Arbeiten im Instituto de Vision, mich diesbezüglich auf Spanisch zu erklären fällt mir schwerer als erwartet.

Auch habe ich wieder angefangen zu malen und im Programmkino Ciné Tonalá den Dokumentarfilm „La selva inflada“ angeschaut, der sich mit der hohen Selbstmordrate unter indigenen Jugendlichen auseinandersetzt. Ich gehe mit Gänsehaut und einem kleinen Heft aus dem Kinobuchladen, das eine Hymne auf die Faulheit verspricht, wieder nach Hause.

Workisashame

14/04/2016
Student sein heißt Möchtegern sein, erklärt mir Miltos. Mich ärgert das und ich versuche das akademische System zu verteidigen, muss dann aber zugeben, dass mich seine Feststellung nur so trifft, weil ich mich bisher nicht in die Professionalität als Künstler getraut habe und ich sehr gut weiß, was es bedeutet, mir von Höhergesetzten anhören zu dürfen: Du bist nicht so weit. Mal sehen was aus dir wird. Und das auch noch zu glauben, weil die innere Unsicherheit darüber nicht „fertig“ zu sein, dazu führt, sich selbst klein zu halten. Tatsächlich aber oft schon besser zu sein, als so viele dieser vermeintlichen Autoritäten, die nur noch groß sein können, wenn sie klein machen. Und Warten auf Likes = Warten auf Anerkennung. Warten auf Anerkennung heißt auch Möchtegern sein.

17/04/2016
Ich versuche mich esoterisch selbst zu heilen.

20/04/2016
Ausflug nach Tabio zu Organizmo.

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Die Frage, die sich uns hier draußen auf dem Land immer wieder stellt: Wie verändert der Blick durch das Smartphone auf die Landschaft unsere Wirklichkeit? Trennt es uns zunehmend oder verstärkt es unsere Verbindung zu unserer Umwelt. Meine Lippen sind kurz davor aufzuspringen. Nora: „Städte sind virtuell.“ Nur noch eine Woche, bis ich wieder nach Deutschland fliege. Kannibalismus ist inzwischen, sich Ideen anderer einzuverleiben. Sollte es eigene Ideen soweit geben. Wir wandern und wandern durch die Landschaft und Nora hat mir ein Hashtag-Piercing gemacht. Hashtags sind die besseren Links. Sind Begriffsfenster in Sammelräume.

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26/04/2016
Zurück vom Land: Habe mein erstes großformatiges Bild unterschrieben.

27/04/2016
Bogotá – Madrid
So viel wollte ich aufschreiben, aber mein Kopf ist leer.

28/04/2016
Madrid – München
Zum Frühstück hole ich mir beim Umsteigen Frozen Jogurt mit Erdbeeren und Nutella. In zwei Stunden bin ich wieder in München und will zurück auf meine Künstlerinsel, als ich die ersten Worte auf Deutsch höre: „Hast du schon einen Termin ausgemacht?“ Aber dann im Landeanflug: Gelbe Rapsfelder, dunkelgrüne Waldflächen, kleine weiße Häuschen mit meistens roten Dächern. Und ganz Nahe am Horizont die Alpen, von der Sonne in Szene gesetzt, schneebedeckt. Türkisfarbende Fischweiher an Kieswerkshügeln. Hellgrüner Frühling. Bayern ich mag dich halt doch.

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With special thanks to Nora Renaud & Miltos Manetas.

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