#46 Erwin Wurm

Selfie – ein so neues und doch nahezu abgenutztes Wort. Aus dem zeitgenössischen Wortschatz und Lebensalltag ist es nicht mehr wegzudenken. Aber immer die gleiche Pose? Wir bitten jeweils Künstler um ein Selbstporträt und ihre Gedanken, die ihnen beim Fotografieren durch den Kopf gehen. 

12991812_10206219615874891_2123352813_o„Das Selfie, ich weiß auch nicht was es aussagen soll … Es ist nicht der Denker von Rodin, aber es ist auch nicht der Faustschlag ins Gesicht.“

Grimmiger, konzentrierter Blick; die weißen Knöchel treten in der gespannten Faust hervor. Erwin Wurm guckt wie ein Manager, der gerade einen Mitarbeiter zur Sau macht. Auf diesem Selfie gibt sich der Künstler ganz anders, als ich ihn bei einer Führung durch seine aktuelle Ausstellung „Bei Mutti“ in der Berlinischen Galerie kennen gelernt habe. Und doch ist dieses Bild stellvertretend für sein Werk: er zeigt sich sarkastisch und immer anders, als man erwartet.

Der österreichische Künstler war Stipendiat des DAAD-Künstler-Programms und kam so nach Berlin. Am bekanntesten sind seine „Narrow-“ und „Fat-Houses“. In Erinnerung an seine Heimat Steiermark konstruiert er aufgeblasene oder auf einen Meter zusammengerückte Häuser – eine Metapher auf die Gutbürgerlichkeit, die in engstirniger Spießer-Idylle lebt. Vom 15. April bis zum 22. August 2016 zeigt er in der Berlinischen Galerie ein „Narrow House“ sowie „One Minute Sculptures“ und Zeichnungen.

Für seine Skulpturen sucht sich Erwin Wurm Gegenstände aus dem Alltag aus. Damit spricht er den Betrachter an und gibt ihm eine Anleitung, mit der er sich zum Teil der gesellschaftskritischen Kunst von Erwin Wurm machen kann: Da wird man schon mal gezwungen, in die Knie zu gehen und den Kopf in ein Hundehäuschen zu stecken – und darf sich dabei nicht so ernst nehmen. So wie Erwin Wurm auf dem Selfie, das er für uns geschossen hat.

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