#42 Stephan Porombka

Selfie – ein so neues und doch nahezu abgenutztes Wort. Aus dem zeitgenössischen Wortschatz und Lebensalltag ist es nicht mehr wegzudenken. Aber immer die gleiche Pose? Wir bitten jeweils Künstler um ein Selbstporträt und ihre Gedanken, die ihnen beim Fotografieren durch den Kopf gehen.

Porombka Stefan
Diese 42. Folge ist ein Protokoll und bricht somit die Form dieser Kolumne, aber passt sich so gesehen an, an Stephan Porombka, Professor für Texttheorie und Textgestaltung an der UDK Berlin, der selbst auch kontinuierlich daran arbeitet Schubladen und alteingesessene Methoden in der Literatur zu sprengen. Man möchte zum Beispiel meinen, einem Literaturprofessor sind Bücher das Heiligste. Porombka zerschneidet aber auch mal ein Buch, um es als iPhone Schutzhülle zu nutzen. Für ihn sind buchbasierte Konzepte veraltet und er sieht es als seine Aufgabe „literarische, essayistische und journalistische Produktivität und Kreativität zu transformieren und den Bedingungen der neuen – vor allem: der nächsten! – Schrift- und Schreibkulturen anzupassen.“ Er selbst spricht aus Erfahrung, denn er unterhält auf Twitter fast 9000 Follower mit geistreich-ironischen Posts.

„Wo früher die künstlerische Avantgarde, u.a. die Dadaisten oder Futuristen, mit der Herstellung eins möglichst schockierenden „Jetzt“ beschäftigt waren, ist das „Jetzt“ inzwischen ein Sehnsuchtsort geworden. Damals war das „Jetzt“ das Schnellstmögliche, im Kontrast zum Bleibenden. Mittlerweile erscheint uns das „Jetzt“ als der einzige Ort, an dem wir Ruhe finden können. In unserer gegenwärtigen Kultur, geprägt von Social Media, geht es immer um das, was als Nächstes kommt. Wenn wir nicht mit dem Updaten von Inhalten für unsere Social Media Kanäle beschäftigt sind, denken wir meistens darüber nach, was wir nachladen könnten. Die Gegenwart wird uns unter den Füßen weggezogen. Die Aufgabe unserer Generation sehe ich aber nicht darin, das aufzulösen, sondern zu lernen, die Gleichzeitigkeit auszubalancieren.

Auch das Selfie ist geprägt vom „Nächsten“. Wir arbeiten dauernd daran, Selfies zu machen. Ein Selfie ist eines von vielen. Es ist flüchtig und wird oft aktualisiert. Wir machen es nicht, um es zu rahmen und so ein Bild von uns zu konservieren, sondern um es zu verschicken oder zu veröffentlichen. Wir machen Bilder – auch von uns – um mit ihnen etwas zu machen. Wenn nichts mit ihnen passiert, verschwinden sie in einer Flut von neuen Bildern.

Ich selbst nutze die Fotofunktion vom Smartphone wie ein Notiz- und Skizzenbuch. Zur Beobachtung der Gegenwart. Und zur Herstellung nächster Zustände. Da kommt alles rein, was ich so um mich herum sehe. Und weil ich ja dauernd selbst um mich herum bin, komme ich in diesem Notiz- und Skizzenbuch natürlich auch dauernd vor. Als meine Gegenwart. Und als mein nächster Zustand.“

Was denkst Du?