Erwin Wurm: „Bei Mutti“

13016591_10206234632530298_235576927_o„Beste Raumtemperatur: 21 Grad. Lange schlafen. Langsame gleichmäßige Bewegungen. 20 Dekagramm Schinken, vier Eier, eine Kanne Milchkaffee, Zucker. Liegend lesen oder fernsehen/dazwischen/zwei Tafeln Milchschokolade“ – so die Anweisung des österreichischen Künstlers Erwin Wurm. Der Titel der Arbeit in Form eines „kleinen dicken Buches“ ist gleich das Ziel der Aufgabe: „Von Konfektionsgröße 50 zu 54 in acht Tagen“. Ob jemand schon einmal den Versuch gewagt hat? Der österreichische Künstler Erwin Wurm lacht: „So haben wir früher mal gelebt!“

13010101_10206234634490347_1288345058_oErwin Wurm spricht nicht nur gerne über seine Kunstbücher, sondern ebenso über seine „lebendigen Skulpturen“, die einerseits humorvoll sind, aber auch bittere Einsichten verbergen. Wie das „Narrow House“, das die Ausstellung „Bei Mutti“ in der Berlinischen Galerie eröffnet. Der Künstler hat es aus seiner Erinnerung an das Elternhaus in der Steiermark gebaut. Es ist auf 1,1 Meter zusammengestaucht und stellt eine Metapher der kleinbürgerlichen Idylle dar. Bauch einziehen und Luft anhalten – als ich das Haus betrete spüre ich wie beengend diese Idylle sein kann.

Weiter geht es mit den „One Minute Sculptures“, kleine Skulpturen, die teilweise auch von Zeichnungen begleitet werden. „Confessional“ heißt die Hundehütte, in die zwei Betrachter an gegenüberliegenden Eingängen gerademal ihren Kopf stecken können, wobei die Skulptur dazu zwingt auf die Knie zu gehen. So wird der Mensch für kurze Zeit selbst zum Kunstobjekt. Der Künstler kommentiert dazu: „Beichten ist echt etwas Tolles, das ist fast ein Grund wieder einzutreten. Man kann irgendeinen Quatsch machen und dann kann man sagen es tut mir leid und dann war es das auch.“

Erwin Wurm, The Idiot III (One Minute Sculpture), 2010, © Erwin Wurm, VG BILD-KUNST Bonn, 2016 , courtesy: Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg, Paris, Foto: Studio Erwin Wurm

Erwin Wurm, The Idiot III (One Minute Sculpture), 2010.
© Erwin Wurm, VG BILD-KUNST Bonn, 2016 , courtesy: Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg, Paris, Foto: Studio Erwin Wurm

Es sind ganz alltägliche Themen, die Erwin Wurm aufgreift und mit dem Begriff des Kulturellen verbindet. Während er durch die Ausstellung führt, nennt er die Dinge beim Namen, mit denen sich der Betrachter identifizieren kann: „Jeder weiß, wie es ist, wenn wir unsere Eltern besuchen – so sehr wir sie lieben, man hält es nicht lange aus, weil da etwas mitgeliefert wird, man retardiert wieder zum Kind“. Alle lachen und trotzdem behält der Künstler seine Ernsthaftigkeit. Erwin Wurm hat das Thema Häuslichkeit in „Bei Mutti“ mit Humor verarbeitet. Doch gleichzeitig ist seine Kunst eine Kritik an heutigen Gesellschaftsformen und dem Zwang sich anzupassen, wie etwa an eine Konfektionsgröße oder die kleinbürgerliche Idylle.

Bis zum 22.08.2016 ist Erwin Wurms Ausstellung „Bei Mutti“ in der Berlinischen Galerie zu sehen.

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