Die Berlin Art Week 2016: Immer wieder zu kurz

Berlin, Auswärtiges Amt

Über den Dächern von Berlin

Die diesjährige Berlin Art Week fängt für mich am Montag auf der Dachterasse des Auswärtigen Amts an. Bei der Midissage „mi castillo – tu castillo“ von Kerstin Honeit. Sie zeigt hier mitunter erste Einblicke und Rechercheausschnitte von ihrer Videoarbeit, die im Rahmen der in diesem Jahr ins Leben gerufenen Artist-Residency des Auswärtigen Amts in Kooperation mit dem Landesverband der Berliner Galerien entsteht. Honeit widmet sich darin einer Großbaustelle deutscher Geschichte: der umstrittenen Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses auf dem Fundament des Palastes der Republik der DDR.

Fotos: Holger Biermann

Auf dem Foto unten links: Kerstin Honeit; Bildnachweis: Holger Biermann

Die Aussicht auf der Dachterasse ist an diesem lauen Spätsommerabend besonders schön, letzters führt dazu, dass ich gleich ein paar Stunden bei spannenden Gesprächen und kühlen Getränken bleibe und erst daran denke nach Hause zu gehen, als es wirklich schon länger dunkel ist. Auf dem Weg nach Draußen unterhalte ich mich noch mit Andréas Lang, dem ersten Stipendiaten der Artist Residency des Auswärtigen Amts, und bekomme von ihm eine Einladung zu seiner Ausstellung im Deutschen Historischen Museum. Als ich vom Auswärtigen Amt Richtung U-Bahn gehe, bin ich überrascht, dass es hier Nachts gar nicht Großstadt mässig belebt ist, sondern ziemlich einsam. Ich bin aber auch nicht davon beruhigt, wie viele der wachenden Berliner Augen nicht nur in den U-Bahn-Zugängen hängen.
Ausstellungseinladung zu Kamerun und Kongo von Andréas Lang

Artweek Opening Party

Am Dienstag steht Abends die Monopol Magazin Artweek Opening Party im Kino International auf dem Programm. Dort treffe ich endlich Andy Kassier persönlich. Bisher hatten wir nur per Telefon oder Facebook kommuniziert, obwohl hier auf der Selbstdarstellungssucht bereits ein Künstlerselfie von ihm, sowie nachfolgend zwei Diaries über die Art Basel Miami Beach und die Los Angeles Artweek veröffentlicht sind.

Andy Kassier und Veronika

Bei der Opening Party gibt es zur Begrüßung silberne Artweek Taschen. Sie sind gefüllt mit viel Infomaterial und kleinen Werbegeschenken. Ich denke kurz: Wer die mitnimmt outet sich ja gleich als Kunsttourist. Aber ich nehme dann doch Eine. Hilft ja nichts, in Berlin bin ich nun Mal (noch) einer. Andy und ich laufen das Kino International hoch und runter, aber so richtig in Feierstimmung kommen wir nicht. Bei so vielen Menschen auf einen Haufen muss ich mich sowieso langsam aklimatisieren. Wobei die Musik mir auch zu sehr Mainstream und ohne Stil daher kommt und ich letztendlich doch kleine, private Feiern vorziehe. Gegen halb Zwei brechen wir auf und ich gönne mir dann alleine ein Taxi, fühle mich wahnsinnig Münchnerisch dabei. Wobei ich in München fast nie ein Taxi nehme, mir aber in Berlin mit den Öffentlichen alles zu lange dauert.

Von NON zu NBK

Am Mittwoch besuche ich den Artist Talk zu der Austellung „Translateral landscapes“ im NON, kuratiert von Lena von Geyso. Ich kenne sie von der Platform München. Das NON ist auch eine Platform: für zeitgenössische Kunst aus Asien. Vorort lerne ich die aus Korea stammende Künstlerin Jae Kyung Kim kennen. Wir sprechen über die Parallelen von Nord/Südkorea zur damaligen BRD/DDR und auf Anhieb habe ich einen Girlscrush. Von einer ihrer Freundinnen bekomme ich noch koreanischen Reiskuchen zum probieren. Wieso war ich bisher noch in keinem einzigen asiatischen Land? NON hat bei mir also den auferlegten Auftrag erfüllt: den Dialog herzustellen zwischen Ost und West.

Wieder auf dem Heimweg zieht mich ein blaues LED Strahlen in den NBK. Die Räumlichkeiten des Neuen Berliner Kunstvereins beherbergen die Ausstellung „Space Refugee“ des türkischen Künstlers Halil Altindere. „Space Refugee“ erzählt eine gewaltige und emotionale Geschichte um den syrischen Astronauten Muhammed Ahmed Faris, der mit seiner Familie aus seiner Heimat in die Türkei geflüchtet ist und dessen große Hoffnung auf eine bessere Welt auf den Mars gerichtet ist.

Porträts von Muhammed Ahmed Faris im NBK, Ausstellung von Halil Altindere

Zeit für die abc

Donnerstag Vormittag nehme ich an der Pressekonferenz und Preview der art berlin contemporary teil. Bevor es los geht in die Halle, gibt es Luxustee aus Stoffbeuteln aufgegossen und Croissants. Sozusagen als Frühstück, während erzählt wird, was sich dieses Jahr verändert hat und was es zu sehen geben wird. Leiterin Maike Cruse weist insbesondere auf die neualte Form des „kabinettartigen Salons“ hin, in dem von den Galerien Einzelpositionen gezeigt werden. Damit verweise die abc „back to the roots“ auf ihre Anfänge.

Das Erste, was mir nach der Pressekonferenz ins Auge fällt, ist ein vor der Halle, an einem silbernen Mülleimer angeleinter Boston Terrier, der herzzereissend dreinschaut. Rechts daneben eine große, schwarze Mülltonne aus der es raucht. Aber nein, kein Grund zur Sorge: Qualm aus der Mülltonne ist Kunst von Fabian Knecht, gezeigt von der Galerie Alexander Levy.

Die Eingangshalle wirkt luftig eingerichtet und es ist tatsächlich dieses Jahr nur eine Halle der Veranstaltungslocation „Station“ belegt. Wie ich im Nachhinein bei diesem Artikel der Morgenpost herausfinde, waren letztes Jahr 105 Galerien vertreten, dieses Jahr sind es allerdings nur noch 62. Die Messe – die als das Herzstück des Berliner Kunstherbsts bekannt ist – steht wirtschaftlich auf der Kippe, und das vor dem 10-jährigen Jubiläum.

Und wie das so auf einer Messe ist: der Großteil der Kunst spricht mich überhaupt nicht an. Einiges erst auf den zweiten Blick. Weniges sofort. Zu meinen Favoriten gehört die Plexiglas Skulptur von Berta Fischer, gezeigt von der Galerie Barbara Weiss. Die schwebende, gelbe Plastiktüte von Nina Canell, gezeigt von Barbara Wien. Und Laure Prouvost, gezeigt von carlier/gebauer.

Plexiglas Skulptur von Berta Fischer

Plexiglas Skulptur von Berta Fischer

Skulptur von Nina Canell

Skulptur von Nina Canell

Installationsansicht Laure Prouvost

Installationsansicht Laure Prouvost

Detail der Installation von Laure Prouvost

Detail der Installation von Laure Prouvost

 

Die Artweek Eröffnungsparty hätte ich dann doch am liebsten im Neon-verspulten-Hai-Wagen von Kenny Scharf gefeiert:

Veronika in der Arbeit von Kenny Scharf

Und noch ein paar Eindrücke mehr:

Andrew Gilbert, Galerie Sperlin

Andrew Gilbert, Galerie Sperling

Christoph Roth, Esther Schipper

Christoph Roth, Esther Schipper

Einmann Bunker von Daniel Knorr, Galerie Naechst St. Stephan

Einmann Bunker von Daniel Knorr, Galerie Naechst St. Stephan

Timur Si-Qin, Société, Installationsansicht

Timur Si-Qin, Société, Installationsansicht

Timur Si-Qin, Société, Detail

Timur Si-Qin, Société, Detail

Vorzeitige Abreise

Freitag musste ich früher nach München zurück als geplant. Gerne hätte ich noch dem Hamburger Bahnhof zwei Mal einen Besuch abgestattet: zum Einen, um noch kurz vor knapp Julian Rosenfeldts „Manifesto“ anzuschauen und zum Anderen, um Anne Imhofs Performance „Angst 2“ zu erleben. Neben dem Hamburger Bahnhof wäre ich noch gerne auf die zeitgleich zur abc laufende Messe Positions gegangen und natürlich haben mir Einblicke in die Galerien selbst gefehlt.

Vier Tage Berlin Art Week 2016 war schlichtweg für mich viel zu kurz, aber darum: das nächste Jahr kommt bestimmt.

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