Künstleressen mit Nezaket Ekici

Eine freundliche Stimme begrüßt mich, als ich die Kunst-Villa „Haus am Waldsee“ betrete. „Ich bin Nezaket“, sagt die Frau im weißen Kleid zu mir und reicht mir ihre Hand. Sie ist hübsch und trägt knallroten Lippenstift. Der begegnet mir wieder, als ich durch die Ausstellungsräume hindurch in den Garten laufe. Einen ganzen Raum hat sie in eine Kusstapete verwandelt. Es ist nichts ausgespart vom Spiegel zu den Blumen über die Kommode und auch Wände sind getupft. Ich bin so angetan, dass ich meinen Lippenstift aus der Tasche hole und ihn vor dem Spiegel auftrage.

Natalie_spielt_Eckici

Natalie mit Lippenstift

Nezaket Ekici ist Performancekünstlerin. Studiert hat sie unter anderem bei Marina Abramović an der Hochschule für bildende Künste in Braunschweig. Größtenteils arbeitet die Deutschtürkin mit Einsatz ihres Körpers. Sie geht Ding-Mensch-Beziehungen nach, wie das Video „flesh (no pig but pork)“, in dem sie sich mit großen, rosa Fleischstücken einreibt, zeigt. Um ihre performative Arbeit einzufangen, greift sie zum Video. Sie baut sich ganze Bühnenbilder, wie die Szenerie „Emotion in Motion“ auf, eben dieser weiße Raum ausgeschmückt mit roten Küssen, in dem ich mich schnell verliere.

Als ich mich losreißen kann, führt mein Weg an einem Tisch vorbei, der mit Tellerchen auf dem Perlen liegen gedeckt ist – doch die sind nicht zur Verkostung. Es ist die Installation „99 Commandments“, die einer Misbaha – einer im Islam gebräuchlichen Gebetskette – nachempfunden ist. Auch der ehemalige Herrensalon der Villa, der nach Kaffee duftet und ebenfalls Teil der Installation „Lifting a Secret“ ist, ist für mich heute nicht zum längeren Aufenthalt vorbestimmt.

Draußen im Garten angekommen, eröffnet Direktorin und künstlerische Leiterin Dr. Katja Blomberg den Abend. Es wird mit Sekt und Wasser angestoßen. Ein wenig später sitzt die Direktorin mit mir am Tisch. Drei Gänge vor uns. Doch das Essen an sich ist für viele nicht der Grund, warum sie hier sind – meiner auch nicht (obwohl es sehr lecker war). Künsterlessen_Nezaket_Gang_1Künstleressen haben im Haus am Waldsee lange Tradition. Pro Ausstellung gibt es einen Abend, um mit Freunden und Interessierten zusammenzukommen und Nezaket ist heute im Haus. An diesen Dienstagabend ist das Wetter so schön, dass das Essen im Freien stattfinden kann.

Ich fühle mich wie in ein Rosamunde-Pilcher-Film-Set versetzt. Alles sieht perfekt aus: Weiß eingedeckte Tische schmücken das grüne Gras. Dahinter gesellen sich verschiedene Kunstwerke und alles direkt am See. Zusammen mit mir sitzt ebenfalls ein Ehepaar, beide tragen helle Hemden und Hosen und eine Journalistin. Das Tischgespräch dreht sich um die momentane Griechenlandpolitik und Frauen in der Kunst. Frau Blomberg erzählt, dass sie vor ihrer Zeit am Haus am Waldsee als Journalistin gearbeitet hat.

Zwischendurch lockert Nezaket, die von Tisch zu Tisch wandert, die Stimmung auf: Es gibt eine Trinkübung. Alle stehen auf, führen in einem mehr minütigen Akt das Glas langsam zum Mund. Meine Hand wird dabei immer schwerer, Konzentration ist gefordert.Künsterlessen_Nezaket_Trinkübung Doch die Ablenkung tut gut. Nezaket plaudert mal locker, verrät Hintergründe zu ihren Arbeiten und scherzt mit mir: „Deine Frisur ist lustig. Bist du auch Künstlerin?“, fragt sie mich und lächelt. Sie kann zwar Wasser nicht zu Wein verwandeln, dafür aber im See stehend durch eine Stahlkonstruktion in ein Sissikleid gehüllt, mit einer Pumpe das Seewasser zu Trinkwasser aufbereiten. Von diesem Erlebnis erzählte sie, als sie bei uns sitzt. Passend dazu gibt es den letzten Gang: Bayrische Creme mit Bratapfel.

Oft ist Nezaket in ihrem Leben umgezogen, erzählt sie, pendelt zwischen Berlin und Stuttgart und hat einige Künstlerresidenzen hinter sich – der Alltag einer etablierten Künstlerin erlaubt keinen Stillstand. Diese Unruhe spüre ich selbst auch und denke über meine Angst nach nichts zu leisten, unproduktiv zu sein oder stillzustehen. Doch es scheint auch zu klappen, der lebhafte Beweis sitzt vor mir. Nezaket hat ein komplettes Haus mit Performances der letzten Jahre bespielt und das ist ihr gelungen.

Bilderstrecke zur Ausstellung „Alles, was man besitzt, besitzt auch uns“. Die Ausstellung ist noch bis zum 16. August 2015 im Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30, Berlin, zu sehen. 

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