#23 Jessica Dettinger

Selfie – ein so neues und doch nahezu abgenutztes Wort. Aus dem zeitgenössischen Wortschatz und Lebensalltag ist es nicht mehr wegzudenken. Aber die immer gleiche Pose? Wir bitten jeweils Künstler um ein Selbstporträt und ihre Gedanken, die ihnen beim machen durch den Kopf gehen:

jessicadettinger„… ein Werk (Selbstinszenierung/Selfie) wird vollständig von denen gemacht, die es betrachten oder lesen und die es, durch Ihren Beifall (Likes) oder sogar durch Ihre Verwerfung, überdauern lassen (Marcel Duchamp 1956). Ein Selfie ist also für mich die Ausdrucksform seit jeher, die der Mensch von sich macht, um sich im Spiegel durch die anderen selbst zu erkennen.“

Beim nächtlichen Ausmisten stößt Jessica Dettinger auf ihre ersten Selfies, die vor dem Spiegel entstanden sind. Sie erinnert sich, wie seltsam ihr vor vielen Jahren das Selfie-Phänomen vorkam. Sie stellt ein Bild nach, wie damals, und spiegelt es ein zweites Mal, in Photoshop. „Das Bild macht meine schizophrene Haltung gegenüber Selfies im verzerrten Geflimmer der Massenmedien deutlich“, sagt sie. Medienwirklichkeit und Hyperrealität sind Angelegenheiten, die Jessica Dettinger nicht nur künstlerisch, sondern auch wissenschaftlich beschäftigen, durch die Lektüre von Philosophen wie Jean Baudrillard oder Norbert Bolz.

Jessica Dettinger, 32, ist freischaffende Künstlerin sowie festangestellte Designerin bei BMW. Sie hat Mode an der Hochschule Pforzheim studiert und 2014 das Label „Form of Interest“ gegründet, in dem sie Kunst und Mode verbindet und verschiedene Arten und Weisen eines Interesses ausdrückt: in Kleidung, Vorträgen, Fotografien, Collagen oder Bühnengewändern. Mit ihrem Freund Michal Plata erstellt sie Videos und Installationen als Künstlerduo „Labor für magischen Realismus“. Nicht zuletzt dreht es sich in ihren Arbeiten auch immer wieder um Identität und die Herausforderung, ein kohärentes Lebensgehäuse auszubilden, in einer Welt, in der sich Subjekte in Hundert oder Tausend Stücke fragmentieren können. Für sie sind Selfies daher eine „Momentaufnahme des Ichs, die dabei hilft, sich zu verorten“.

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Dieses Künstlerselfie gibt es auch gedruckt in der aktuellen Super Paper.

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